Seit jeher stellen wir uns die Frage, wohin gewisse Dinge führen und wohin wir einst gehen werden. Da dies die Zukunft betrifft, können wir dir keine sicheren Antworten auf diese Fragen geben, die uns alle beschäftigen. Aber zumindest wollen wir dir unsere Sichtweisen und gängige Arten der Prophezeiung vorstellen, auf dass du deine eigenen Antworten finden mögest.
Was nach dem Tod kommt
»Was danach kommt, fragst du mich? Ich weiß es nicht. Niemand weiß das. Alles, was ich dir sagen kann, ist, dass die Vögel unsere Seele zu Al’Abu tragen und ich glaube, dass Er und Seine Frauen uns danach bewerten, wie wir gelebt haben. Ob Er uns zurückschickt oder wir in Seinem Aram bleiben? Nun, einst werden wir es erfahren.«
—Yazemin saba Rastullah, Khabîra, 286 nach Rastullahs Erstem Erscheinen
Wir fragen uns, was einst nach dem Tod kommt und wofür Al’Kha uns zu Bewahrern der Wüste erwählt hat. Doch nur Marhibo sieht, was noch kommen wird und so sind unsere Vorstellungen vom Jenseits aus uns selbst geboren. Niemand kann berichten, wie es ist, und deshalb erwarten und erhoffen wir alle etwas anderes.
Manche vermuten, ähnlich den Andersgläubigen der Zwillinge von Maraskan, dass wir nach dem Tod zurückkehren und ein neues Leben beginnen. Andere sprechen von einem großen Oasengarten, in dem es an nichts mangelt, Datteln von allein von den Palmen fallen und das Wasser nie versiegt. Dies mag richtig sein, wir jedoch glauben, dass wir zu beschränkt denken, denn unser Geist in diesem Körper kann nicht fassen, was Rastullah in Gänze ist. Wie sollten wir uns da Seine Umgebung vorstellen können? Ich wünsche mir, einst wieder Seine Herrlichkeit zu sehen und Seine Gedanken zu spüren und vielleicht wird meine Seele Ihn dann gänzlich erfassen, ohne die Last des Körpers?
Werden wir mit Seinen Frauen und Ihm im Aram speisen? Ein ewiges Chorbash aller Rechtgläubigen erleben? Ich hörte solche Vorstellungen, doch wir vermögen nicht zu sagen, ob sie zutreffen. So richten wir unser Streben auf das Hier und Jetzt und versuchen so lange und so gut zu leben, wie möglich. In unseren Taten werden wir weiterleben in den Geschichten und Erinnerungen unserer Kinder, Sippen und Stämme. Deshalb streben wir danach, As’Sali zu ehren und treu zu dienen, dass die Erinnerung an uns anderen ein Vorbild sein möge. Wir tragen mit unseren Taten Sorge, dass die Gemeinschaft weiter besteht, denn nur dann lebt die Erinnerung an uns und unsere Ahnen weiter.
Das Ungewisse – Das Deuten Seines Willens
Rastullah zeigt sich uns nur selten so deutlich wie in der Ersten oder Zweiten Offenbarung. Die meisten Seiner Zeichen sind klein, unscheinbar und für den Unkundigen leicht zu übersehen. Die aufmerksamen Gottgefälligen jedoch können Sein Wirken an vielen Stellen und in kleinen Dingen jeden Tag erkennen und lobpreisen Ihn dafür. Dies kann der Flug eines Vogels ebenso sein wie die Anzahl von Blüten an einem Kaktus, der Stand der Gestirne oder die Bilder, welche das Cheriacha uns schenkt. Gerade dieses erlaubt es bisweilen, einen kleinen Blick auf das Kommende zu werfen, wie es Marhibo tut, doch sind die Bilder, die sie uns im Auftrag Al’Abus schickt, stets vieldeutig und verworren, sodass es Erfahrung bedarf, diese zu interpretieren und den richtigen Weg zu finden. Hierfür wollen wir dir einige erste Ideen geben, die keinesfalls lange Jahre der Übung und den Disput mit anderen Kundigen ersetzen können. Sie mögen dir ein Einstieg in diese Themen sein und die grundlegende Herangehensweise erklären.
Grundlegend für die Interpretation aller Arten von Prophezeiungen und Fingerzeigen kannst du die Zahlenmystik heranziehen. Die wichtigsten Zahlen sind die glückverheißende 3 und ihre unteilbare Stärke, die Einschränkung der 8 und die heilige Perfektion der 9. Weniger verbreitet, aber nicht unüblich ist es, der 2 die Frage oder Unsicherheit zuzuordnen und der 5 das Unglück oder den Schicksalsschlag.
Vor allem Eremiten und Anhänger von Hadjinim-Orden nutzen das Fasten oder den Verzicht auf Wasser, um ihren Geist in Trance zu versetzen.
Der Vogelflug
»Der Lämmergeier kam von links und flog schnell, dies warnt uns. Haltet alle die Augen offen, etwas Gefährliches wird uns heute noch passieren. Der Bartgeier dort vorne? Gut gesehen. Das könnte der Ort sein, vor dem der Lämmergeier uns warnen soll. Er kreist über etwas, das noch nicht tot ist, vielleicht erwartet uns ein Hinterhalt. Seid wachsam und haltet die Waffen bereit.«
—Dimjah saba Deniz, Karawanenführerin aus Unau, 283 nach Rastullahs Erstem Erscheinen
Vögel sind die Boten Rastullahs, die nicht nur nach dem Tod unsere Seelen zu Ihm in den Himmel tragen, sie verbreiten auch Seine Kunde am Boden. Welche Vögel Ihm besonders gefällig sind, darauf weist das 17. Gesetz hin, deshalb achte bei deinen Beobachtungen und Deutungen besonders auf diese. Es gibt einige typische Zuschreibungen, die jedoch im Zusammenhang zu sehr unterschiedlichen Interpretationen führen können und Erfahrung benötigen.
Grundlegend gilt ein schneller Flug als Warnung, ein Sturzflug als Vorzeichen eines Erfolges, ein langsamer Flug als Zeichen für Ruhe oder Sicherheit und das Kreisen oder Stehen über einer Stelle ist ein Hinweis auf diesen Ort, eine Versammlung oder Vereinigung. Kommt der Vogel von links vorne sprechen viele von einem Hinweis auf die nahe Zukunft, wobei dies durchaus einen Bereich von Tagen oder gar Wochen umfassen kann. Von rechts vorne kommend bezieht sich der Hinweis eher auf weiter entfernte Zeit, was durchaus Gottesnamen oder gar Jahre bedeuten mag. Ein Vogel, der von gerade vor dir anfliegt, bezieht sich dagegen auf das Jetzt.
Schwieriger ist die Deutung von Vögeln, die hinter dir fliegen. Betrachte sie stets von dem Moment aus, da du sie bemerktest, nur weil du dich zwischenzeitlich umdrehst, kommt der Vogel nicht von vorne. Auch bleibt links hinter dir links. Die wohl am schwierigsten zu interpretierende Flugrichtung ist von rechts hinten. Dies spielt auf etwas an, das weit in der Vergangenheit begonnen hat und nun Auswirkungen zeigt. Dies kann sogar eine Tat des Vaters oder der Großmutter sein, die heute Auswirkungen hat. Kommt der Vogel von links hinten liegt die Ursache kürzer zurück, ist aber ebenfalls in der Vergangenheit zu finden.
Eine Ausnahme von diesen Zuordnungen sind solche Fälle, in denen der Vogel aus der Richtung der Gefahr oder des glücklichen Ereignisses kommt. Siehst du etwa einen Vogel schnell von rechts hinter dir kommen und verlängerst seine Flugbahn zum Ursprung, kann es passieren, dass du dort einen Sandsturm ausmachst.
Auch die Art des Vogels gibt dir Hinweise. Geier weisen auf etwas hin, das mit dem Tod zu tun hat. So wie sie die Toten zum Himmel tragen, können sie vom drohenden oder anstehenden Tod künden. Dieser kann durch einen Kampf, durch Treibsand oder andere Gefahren verursacht werden. Richte deine Vorsicht also auf verschiedene Dinge und nicht nur auf einen Feind mit Dschadra und Waqqif. Krähenvögel hingegen verweisen meist auf eine Gelegenheit. Dies mag sowohl ein Wasserloch auf deinem Weg, ein günstiger Handelsabschluss oder das Treffen mit einem weisen Eremiten sein. Singvögel achte besonders, wenn du mit anderen deine Zeit verbringst. Gesellen sie sich zu einer Gruppe und rasten selbst ohne Futter lange Zeit, so ist dies stets ein gutes Zeichen. Singen und tänzeln sie ohne Unterlass, so lässt sich vermuten, dass Rastullah voll Freude auf Verliebte blickt.
Sternendeutung
»Wir sahen Hellah, die Träne, Heshinja, auch bläuliche Oase, Shimja, die rote Blutrache, und Orhima, das Zeichen der Wüste Khôm selbst. Wir alle kannten die Bedeutung, nur über die Interpretation waren wir uneins. Beginnen wir bei der Wüste, sehen wir sie als Herausforderung zum Kampf oder einer Auseinandersetzung, wofür Shimja steht, um die Heimat, was durch die Oase verdeutlicht wird. Dieser Kampf führt zu Zufriedenheit oder Unglück und Vergänglichkeit.
Doch dreht man die Reihenfolge um, so zeigt Hellah die Vergänglichkeit des Glücks und der Heimat, die Heshinja verkörpert. Shimja führt uns hier in einen Kampf, der eine große Herausforderung ist oder den Ausgleich bringt. Dass der Geier seit kurzem unter dem Horizont verschwunden war, sahen wir nicht als gutes Omen.«
—Lulzim ben Harkim, Prophet der Zweiten Offenbarung, 280 nach Rastullahs Erstem Erscheinen
Die Sterndeutung ist vielschichtiger als die des Vogelfluges, da ständig eine Vielzahl von Sternen und Wandelsternen am Himmel steht und du nie sicher sein kannst, welche für die Deutung wichtig sind. Oft empfiehlt es sich, alle wandelnden Sterne zu beachten, bei den fixen Sternen aber nur den Teil, der Kontakt oder Opposition zu Wandelsternen hat. Dies erlaubt sehr verschiedene Interpretationen. Beachte, dass die Neun Frauen in der Sterndeutung in Teilen andere Bedeutungen haben als in unserem Alltag.
Die Wandelsterne werden mit den Frauen Al’Kiras assoziiert, tragen aber auch andere Namen und Deutungen, die teilweise der tulamidischen Astrologie entnommen sind.
Hellah ist der hellste der Sterne und wird Träne Rastullahs genannt. Sie steht für Zufriedenheit, Harmonie und Glück oder für die Vergänglichkeit von all diesem und das folgende Unglück. Ihre Interpretation kann sehr verschieden sein und hängt stark von anderen Faktoren ab.
Die bläuliche Heshinja, altertümlich Oase genannt, gilt als Zeichen von Ruhe, Wohlstand, Weisheit, Alter und Heimat sowie lebensspendend.
Die rötliche Shimja ist einerseits Schöpferin von Neuem und Wegweiserin auf neuen Wegen, in ihrer Deutung als Blutrache jedoch auch für das Beenden von Freveln und Schande sowie Auseinandersetzungen und Kampf, aus dem Neues hervorgeht. Die gelbe Orhima steht für Herausforderung, Gerechtigkeit und Ausgleich, aber auch für die Wüste Khôm selbst, als die sie teilweise bezeichnet wird.
Die eher düstere und unscheinbare Khabla wird meist als Warnung interpretiert, dass etwas die Sippe bedroht, und wird altertümlich auch als Sippe, Familie oder Stamm interpretiert. Die rote Rhondara, altertümlich Ehre genannt, steht für den Kampf um eben diese und verheißt meist nichts Gutes. Ihr Treffen mit Shimja zum Zeitpunkt, als die ersten Karawanen verschwanden, wissen wir erst im Nachhinein richtig zu deuten.
Dschella ist klein und hat ein reines, weißes Licht wie ihre Seele und Freude. Sie verbinden wir mit dem Wandel; ältere Texte bezeichnen sie als Karawane oder Geburt.
Marhibo hingegen scheint rein aber düster, so wie die Zukunft am Horizont dräut. Sie kann Vollkommenheit, das Ende, den Tod oder den Abschluss von etwas bedeuten und wird in älteren Texten Haimamud genannt, womit sie auch für Geschichte und Althergebrachtes steht.
Amm-el-Thona schließlich wurde erst vor wenigen Jahren entdeckt, weshalb die Theorie, dass es sich um die Neun Frauen handelt, sich zuletzt weiterverbreitet. Vor inzwischen gut fünf Jahren wurde sie gesehen, kurz vor dem Auftreten der neuen Bedrohung. Über ihre Bedeutung streiten die Weisen noch. Manche sehen in ihr ein Zeichen für die Bedrohung, andere für die neue Prüfung.
Der Sternzeichen sind so viele, dass ich dir hier nur drei Beispiele geben will, für ihre Bedeutung. Wenn du mehr darüber erfahren willst, solltest du länger bei einem Weisen die Bedeutung der Gestirne studieren. Das Shadif, welches zwischen dem 1. und 2. Rastullahellah aufgeht und nach dem 3. wieder verschwindet steht für Leidenschaft, Grazie und Stolz. Im Gegensatz dazu ist die Dattelpalme, sichtbar kurz nach dem 5. bis zwischen dem 2. und 3. Rastullahellah, ein Sinnbild für Heimat, Ruhe, Zufriedenheit und das Verweilen. Der Geier, direkt neben dem Shadif am Himmel und sichtbar zwischen 2. und 4. Rastullahellah, gilt als erhabenes Zeichen Al’Khas und symbolisiert Vollkommenheit, stetes Streben und auch uns Novadis, das erwählte Volk.
Cheria-Kaktus
»Ich sah einen weißen Kreis, pure Vollkommenheit. Glücklich war ich. Doch die Farbe änderte sich zu einem satten Grün, eine sichere Oase, aus der eine Welle zu hellem Gelb wurde. Ich sollte eine Reise tun und so kam ich wieder nach Keft. Die Vision zeigte mir noch mehr. Immer dunkler wurde das Gelb, zu Rot, Violett und schließlich blau. Da wusste ich, dass mich am Ende der Reise Gefahr erwarten würde, denn stetig schwärzer floss die Welle eckig und wechselte viermal die Richtung. Als alles schwarz war und mir ganz schwer ums Herz wurde, meinte ich einen einzelnen, strahlend weißen Punkt dort zu sehen. Damals verstand ich das nicht, heute weiß ich, es war Yazemin, die in größter Gefahr Al’Kiras Licht unter uns trug.«
—Charef ben Rashman, Erster Mawdli der Schule von Khabîra, 286 nach Rastullahs Erstem Erscheinen
Der Cheria-Kaktus wurde schon lange vor der Ersten Offenbarung getrocknet und geraucht, seither jedoch verstehen wir erst seine Funktion als Gabe Rastullahs. So nutze ihn nicht leichtfertig und nicht für den Genuss sollst du das getrocknete Fleisch auf deine Wasserpfeife legen. Suchst du allerdings Erkenntnisse und Anleitung bei Ar’Rashid, dann nutze es und gib dich den Visionen am besten in dunkler Umgebung hin, um die Farben besser wahrzunehmen.
Die Möglichkeiten von Farben und Formen sind nahezu unbegrenzt. Wir geben dir wieder eine kleine Auswahl an Interpretationsmöglichkeiten. Die Variationen an Farben sind vielschichtig, aber grob lässt sich sagen, dass Weiß die Farbe Rastullahs ist und alles in dieser Farbe rein und positiv. Blautöne stehen für Nacht und Kälte und damit für den Kampf. Bereits unsere Vorfahren sind in der Kälte gegen die schändlichen Echsen gezogen, und heute greift die neue Gefahr meist nachts an. Rottöne hingegen stehen für den Tag, die Wüste und sowohl Wahrheit wie Herausforderung. Grünes steht für Oasen und das Leben, Neues und Erfolge.
Grundlegend gilt, dass das Geschehen umso positiver zu bewerten ist, je heller die Farbe, und umso bedrohlicher wird, je dunkler sie werden. Hellere Farben enthalten mehr von Al’Abus Weiß und sind deshalb reiner als solche, die das Schwarz beinhalten, wie es die neue Bedrohung tarnt. Sehr oft wirst du Farbübergänge sehen, die dir dann zusammen ihren Sinn eröffnen.
Runde Formen wie Kreise und Ovale zeigen eher Freundliches, während Vier— und Fünfecke für Gefahr stehen. Solltest du gar einen achtzackigen Stern sehen, so ist größte Vorsicht geboten, wohingegen eine Form mit neun Spitzen Glückseligkeit und Erfüllung verheißt. Häufig wirst du wellenförmige Linien oder Bahnen sehen, welche für eine Reise oder Veränderung stehen, die auch geistig sein kann.
Bei einer Vision wird sich dein Geist vom Körper lösen und du siehst dich schweben oder in gänzlich anderer Umgebung. Widerfährt dir dies, kannst du sicher sein, eine bedeutsame Erfahrung zu machen, die du ergründen solltest.