Es war einmal, da lebte im schönen Mittelreich, in der Kaiserstadt Gareth, ein Junge namens Alrik. Alriks Vater war Magier. Er konnte mit einigen Zauberworten die wunderbarsten Dinge geschehen lassen. Einmal, da kam Alrik vom Spielen nach Hause und war ganz schmutzig. Seine Mutter war erst sehr böse mit ihm und wollte schimpfen, aber sein Vater rief laut: SAPEFACTA ZAUBERSCHWAMM! Und im Nu war Alrik wieder komplett sauber. Es war sehr praktisch, einen Magier zum Vater zu haben, fand Alrik.
Im Haus von Alriks Eltern kamen immer viele Leute zu Besuch. Andere Magier, Alchemisten und manchmal sogar Druiden und Hexen aus den Wäldern. Das Haus stand mitten in der Stadt und war sehr gemütlich eingerichtet. Überall konnte man interessante Sachen entdecken. Komisch geformte Flaschen und Töpfe, alte Bücher und Landkarten, bunte Kristalle, Kerzen und vieles mehr. Diese ganzen Dinge brauchte Alriks Vater für seine Zauberei, denn die war manchmal ganz schön kompliziert.
Eines Tages kam Alriks Papa zu seinem Sohn. „Alrik”, sagte er. „Ich brauche deine Hilfe. Ich braue einen magischen Trank und mir fehlt dafür eine besondere Wurzel, eine Alraune. Kannst du für mich in den Reichsforst gehen und dort eine besorgen?”
Der Reichsforst war der große Wald außerhalb von Gareth. Es war eine weite Strecke zu laufen, aber Alrik freute sich sehr. Er mochte den Wald und war stolz, dass sein Vater ihm eine so wichtige Aufgabe zutraute. „Geh zum Dorf Tannenhain und frage dort nach der Alten Tula. Sie wird dir zeigen, wo du eine Alraune findest”, erklärte Alriks Vater.
Alrik nickte eifrig.
Alriks Mutter packte ihm für den Weg etwas zu Essen ein und dann ging es los. Um zum Wald zu kommen, musste Alrik quer durch die Stadt laufen. Am großen Marktplatz blieb er eine Weile stehen und schaute sich um. Überall liefen Leute aus vielen verschiedenen Ländern herum.
Thorwaler aus dem Norden, rothaarige Nivesen, Bornländer mit Pelzmützen, Novadis aus dem tiefen Süden und Andergaster Ritter in voller Rüstung. Es war ein toller Anblick. Alrik mochte den großen Markt. Aber er musste weiter. Der Weg zum Wald war weit.
Alrik lief und lief.
Schließlich, nachdem er die Stadt verlassen hatte, kam er zum Wald. Die Bäume sahen groß und finster aus, aber der Junge war sehr mutig. „Ich habe eine wichtige Aufgabe”, da lasse ich mich nicht von Bäumen aufhalten, sagte er zu sich selbst. Dann betrat er den Wald.
Ein paar Vögel sangen und ein Eichhörnchen schaute ihm von einem Ast zu. Ganz so schlimm war der Wald doch nicht, fand Alrik.
Dann kam er zum Dorf Tannenhain. Hier wuchsen wirklich schöne Tannen, daher auch der Name. Aber was war das? Das Dorf war verlassen! Alle Hütten waren leer.
„Hallo?“ rief Alrik, aber niemand antwortete ihm.
Dann sah er einen Mann mit einem großen Sack auf den Schultern, der sich gerade zwischen zwei Hütten davonschleichen wollte.
„Warten Sie, bitte!”; schrie der Sohn des Magiers und lief dem Mann hinterher.
„Was willst du?”, grummelte der Mann.
„Ich habe es eilig”. Alrik sah, dass er einen Anhänger in Form eines Fuchses trug.
„Wo sind denn alle Leute hin? Ich suche die Alte Tula”, sagte der Junge.
„Hast du es denn nicht gehört, Kleiner?”, fragte der Mann überrascht. „Ein Basilisk treibt hier sein Unwesen. Eine Bestie, wie ein kleiner Drache. Wer ihn anschaut, der wird zu Stein. Alle Menschen sind deshalb geflohen. Und ich mache mich jetzt auch schnell davon. Das solltest du auch”, riet ihm der merkwürdige Mann und lief weg.
Alrik wusste nicht, was er tun sollte. Er fing an, die Umgebung abzusuchen. Vielleicht konnte er mit Glück zufällig eine Alraune finden. Er musste es versuchen.
In der Nähe des Dorfes fand Alrik Fußspuren, die aussahen wie von einer großen Echse oder einem kleinen Drachen. Der Basilisk!
Jetzt bekam auch der tapfereAlrik ein bisschen Angst. Er wusste nicht weiter.
An einem kleinen Teich setzte er sich hin, um nachzudenken.
„Was sitzt du denn hier so alleine?” hörte Alrik plötzlich eine Stimme.
Erschrocken drehte er sich um. Aus dem Schilf am Rand des Teiches schaute eine Auelfe hervor. Alrik kannte Elfen. Sie waren freundlich und sehr hübsch, aber auch geheimnisvoll. Und sie konnten zaubern. Der Junge erzählte der Elfe, dass er eine Alraune besorgen musste, aber das alle Leute weggelaufen waren wegen dem Basilisken.
„Ja, den Basilisken habe ich auch schon gerochen”, sagte die Auelfe und rümpfte die Nase. Elfen haben sehr feine Nasen und mögen es nicht, wenn es stinkt. „Ich werde dir helfen!” meinte die Elfe.
„Wirklich?”, fragte Alrik und freute sich.
„Ja! Ich mag keine Basilisken. Niemand mag sie. Deshalb helfe ich dir. Ich habe auch schon einen Plan. Wir werden das Wasser des Teiches verzaubern und daraus einen Spiegel machen. WennderBasilisk sich darin sieht, dann wird er selbst zu Stein. Und das Problem ist gelöst”.
Die Auelfe schien sehr zufrieden mit sich zu sein. „Hmm, das klingt nach einer typischen Elfenidee. Zauberei und so, da kann eine Menge schief gehen”, war auf einmal eine tiefe Stimme zu hören.
Alrik und die Auelfe schauten sich erstaunt um. Aus dem Wald war ein Zwerg getreten. Er sah verwegen aus. Er trug eine große Axt und ein Kettenhemd und sein Bart war so lang, dass er ihm bis zum Bauch reichte.
„Ich bin Murgrim aus den Ambossbergen”, stellte er sich höflich vor. „Ich habe zufällig gehört, was die Elfe dir vorgeschlagen hat, mein Junge. Und ich muss dir davon abraten. Magie kann sehr gefährlich sein. Da kann viel passieren, was man gar nicht wollte”, brummte der Zwerg und hob mahnend denZeigefinger Alrik wusste, dass der Zwerg die Wahrheit sagte.
Sein Vater warnte ihn immer, dass man mit Zauberei vorsichtig umgehen sollte. „Aber was soll ich denn machen?” jammerte Alrik.
„Ich kann dir helfen, mein Junge”, sagte Murgrim der Zwerg und lächelte.
„Wirklich?”, fragte Alrik.
„Ja”, nickte der Zwerg. „Du hast großes Glück, dass ich dich heute getroffen habe. Ich bin nämlich Erfinder. Ich baue dir einen mechanischen Basiliskenabwehrspiegel. Ganz ohne Magie!”
„Das klingt toll”, sagte Alrik und freute sich.
Nur die Auelfe schaute etwas böse.
„Dann machenwir es so!”, rief der Zwerg. „Wenn wir gleich anfangen, dann sind wir bald fertig. In 50 oder 60 Jahren schon”.
Da erschrak der Junge sehr. So viel Zeit hatte er nicht. Zwerge werden sehr alt und deshalb waren 50 oder 60 Jahre für Murgrim keine lange Zeit.
„Das geht nicht”, erklärte Alrik. „Ich muss heute Abend wieder zu Hause sein!”
„Immer diese hektischen Menschen”, grummelte der Zwerg und verschwand kopfschüttelnd im Wald.
Alrik sah enttäuscht aus, aber die Elfe klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen. Den brauchen wir gar nicht. Der Zauber wird ganz wunderbar funktionieren, du wirst schon sehen. Mein Name ist übrigens Fariel Blütental”, erzählte die Elfe.
Sie sprach ziemlich schnell. Ohne auf eine Antwort von Alrik zu warten, ging sie zum Teich. Eine Weile schaute sie in das Wasser, dann begann sie zu singen. Der Junge hatte noch nie so schönen Gesang gehört. Es war einfach zauberhaft.
Nach einer Weile, Alrik konnte gar nicht sagen, wie lange es gedauert hatte, hörte Fariel auf zu singen.
„So, fertig”, sagte sie und lächelte stolz.
Und tatsächlich: Der Teich war zu einem wunderschönen Spiegel geworden. Die Elfe setzte sich an den Rand des Teiches und begann,sich die Haare zu kämmen.
„Wie kriegen wir denn jetzt den Basilisken zum Spiegel?” fragte Alrik. Fariel antwortete nicht. Sie kämmte sich weiter ganz verträumt die Haare. „Fariel?”, sagte Alrik. „FARLIEL!”, rief er lauter, weil die Elfe nicht reagierte.
„Was? Wie? Ach, du bist es Alarick. Ich hatte dich schon fast vergessen”, sagte die Elfe.
„Ich heiße Alrik und ich wollte dich fragen, wie wir denn nun den Basilisken hierher bekommen, damit er in den Spiegel schaut?”
Fariel überlegte kurz. „Das weiß ich nicht”, sagte sie. „Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Dir wird schon etwas einfallen”. Und sie fuhr fort, sich die Haare zu kämmen.
Alrik war sehr enttäuscht. So würde er den Basilisken nicht fangen. Traurig ging er in den Wald.
Niemand hatte ihm wirklich geholfen. Er wusste nicht weiter. Alrik setzte sich auf einen Baumstamm. Er legte seinen Kopf auf die Arme und kniff die Augen zu. Im Moment wollte er nichts sehen von der Welt. Ein paar Tränchen kullerten über seine Wangen.
„Warum weinst du denn?”, fragte mit einem Mal eine Stimme. Die Stimme klang nett, weich und freundlich. Das „S” zog sie etwas länger, so dass es klang wie „Sssss” Alrik blickte nicht auf und hielt sein Gesicht verborgen.
„Ich weine, weil ich traurig bin”, sagte er.
„Oh, das tut mir leid”. Die Stimme schwieg einen Moment. „Ich kann das gut verstehen, ich bin auch oft traurig”, sagte sie dann.
„Weißt du, ich bin viel allein und das mag ich nicht”. Die Stimme klang jetzt ziemlich bedrückt.
Alrik fand, dass die Stimme recht hatte. Er spielte auch viel lieber mit seinen Freunden, als allein zu sein. „Wo sind denn deine Freunde?” fragte er die Stimme. Es hörte sich ein wenig dumpf an, weil Alrik seinen Kopf immer noch in den Armen vergraben hatte.
„Ich habe gar keine Freunde”, sagte die Stimme leise.
„Wie bitte?”, fragte der Junge und nahm den Kopf hoch. „Gar keine?” Alrik war so erstaunt, dass er aufhörte traurig zu sein. Seine Augen waren aber immer noch voller Tränen und er konnte nicht genau erkennen, wer da gesprochen hatte. Alles war ein bisschen verschwommen. „Das geht nicht”, entschied Alrik. „Lass uns Freunde sein. Dann sind wir beide nicht mehr allein”.
„Du willst mein Freund sein?”, fragte die Stimme erstaunt.
Alrik sah die Dinge immer noch verschwommen, aber er hatte den Eindruck, dass sein neuer Freund grüne Kleidung an hatte. „Ja. Das will ich”, antwortete er und meinte es auch so.
„Oh, dass finde ich ganz wundervoll. Ja, lass uns Freunde sein!” rief die Stimme glücklich.
Alrik wischte sich mit der Hand über die Augen, um endlich klar sehen zu können. Er erschrak. Vor ihm stand ein kleiner Drache ohne Flügel. Auf seinem Kopf wuchsen kleine Hörner, die ein bisschen wie eine Krone aussahen. Der kleine Drache lächelte glücklich und zeigte dabei sehr viele Zähne. Der Basilisk, dachte Alrik!
„Du… du bist doch der Basilisk”, sagte er zögerlich.
„Ja”, antwortete der Basilisk. „Ich heiße Hadrax. Und du?”
„Alrik”, sagte Alrik und schüttelte dem Basilisken die Pfote. Oh nein, dachte Alrik. Ich habe ihn angeschaut! Ich werde zu Stein erstarren!
Aber nichts passierte. Zunächst wunderte sich Alrik, aber erließ sich nichts anmerken.
Während er sich mit Hadrax unterhielt, erinnerte sich der Junge daran, was seine Mutter einmal zu ihm gesagt hatte:
Als Freund sieht man die Dinge mit anderen Augen. Das musste es sein! Weil er mit dem Basilisken befreundet war und sie sich wirklich mochten, konnte ihm nichts Schlimmes passieren.
An diesem Tag spielten Alrik und Hadrax noch lange zusammen. Sie liefen durch den Wald, aßen Himbeeren und bastelten eine kleine Burg aus Zweigen.
Als es spät wurde, musste Alrik nach Hause.
Der Basilisk brachte ihm vorher noch eine Alraune. Er kannte sich im Wald sehr gut aus und wusste genau, wo die Wurzel zu finden war.
Glücklich, dass er einen neuen Freund gefunden und die Alraune bekommen hatte, lief Alrik nach Hause.
In Gareth hatte man gehört, dass sich ein Basilisk im Wald herum trieb. Am Tor traf Alrik viele bewaffnete Abenteurer, die losgehen wollten, um das Ungeheuer zu jagen. Das wollte der Junge auf keinen Fall! Er ging zu den Abenteurern und sagte ihnen, dass der Basilisk keine Gefahr mehr sei. Die staunten nicht schlecht.
„Du hast den Basilisken vertrieben? Ganz allein? Du musst sehr mutig sein!”
Und sie erklärten, dass Alrik von nun an den offiziellen Namen Alrik der Basiliskenschreck führen dürfe.
Alriks Eltern waren sehr stolz auf ihn und sein Vater freute sich über die herrliche Alraune.
Alrik freute sich auch, denn er wollte seinen neuen Freund Hadrax bald im Wald besuchen.
Viel lieber nannte er sich nämlich: Alrik der Basiliskenfreund. Aber das blieb das Geheimnis der beiden Freunde.
ENDE