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Zwischen Glorana und Orks

Du herrliches, glückliches Riva. Deine Gassen sind gepflastert mit Silber und das Auge des Fuchses ruht wohlwollend auf dir. Was deine Bürger anpacken, verwandelt sich in Wohlstand und, Travia sei Dank, Wohlanständigkeit. Ihr folgt dem Grundsatz, dass der, der teilt, zweifach ernten wird. Gemeinsam tragt ihr die Lasten und habt nur halbe Mühsal und seid doppelt so stark, und die denen Glück und Erfolg bescheret ist, vergessen nicht, auch diese zu teilen. Ihr habt verstanden, was die Mutter uns lehrt, dass alles Heil in der Sorge für den anderen liegt. Man könnte dich beneiden, aber wozu? Stattdessen will ich von dir erzählen und andere ermuntern, es dir gleich zu tun.

—Auszug aus den Reisetagebüchern von Herdfried von Rabenmund, Hoher Vater der Travia-Kirche, 957 BF

Von stutzigen Mauern umfriedet, ist die Handelsstadt Riva an der Küste des gleichnamigen Golfs ein Hort der Zivilisation inmitten der Wildnis. Umgeben von weiten, kargen Steppen und Sümpfen, in einer Region, die für viele Monate im Jahr fest in Firuns Griff ist, bietet die Stadt an der Mündung des Kvill Bürgern und Fremden sicheren Hafen und Heimat. Erfolgreich trotzen die Bürger Wildnis und Gefahren, inmitten der menschenleere Öde findet man hier städtisches Leben: bunt, laut und faszinierend zugleich. Das ist es, was die Menschen aus nah und fern anlockt, und Riva zu stolzer Blüte geführt hat.

Das Antlitz der Stadt an der Mündung des Kvill hat sich jedoch in den letzten Jahren deutlich verändert. Vormals ein Hort stolzen Bürgersinns, wo Anstand und Gemeinwohl, Ruhe und Beständigkeit als hochgeschätzte Werte galten, sieht sich die Stadt durch die Ereignisse der letzten beiden Dekaden mit einem tiefgreifenden Wandel konfrontiert.

Zwar blieb Riva von den Orks verschont, doch die Folgen des Orkensturms hatten auch in der Stadt ihre Auswirkungen, denn mit dem faktischen Ende des Svelltschen Städtebunds mussten die Bürger zum ersten Mal seit vielen Generationen mit einem wirtschaftlichen Niedergang umgehen. Sicher geglaubte Märkte waren verloren, Handelswege wurden unsicherer. Flüchtlinge kamen in die Stadt, Tjolmarer, Tiefhusener und Svellttaler Landbevölkerung, die zunächst vor dem Krieg flohen und die sich später nicht auf den brüchigen Frieden unter dem Szepter der Schwarzpelze verlassen wollten.

Als die Eishexe Glorana 1019 BF ihr Reich errichtete, brach der Handel mit dem Bornland und Weiden nahezu vollständig zusammen. Aus der Region Paavi flüchteten Menschen nach Westen, um sich vor der Heptarchin und ihren eisigen Dienern zu retten. Abermals ließ der Handel empfindlich nach: Handelskompanien brachen zusammen und auch bodenständige Handwerker hatten Probleme, da außer den notwendigen Reparaturen kein Bürger oder Patrizier mehr Aufträge vergab. Andererseits führte das Entstehen der Blutigen See dazu, dass das Bornland einen Teil seines Handels nun auf dem Landweg über Riva abwickelte.

Gelang es noch, die Flüchtlinge aus dem Svellttal und Paavi überwiegend in Frieden anzusiedeln, sollte sich die Stadt im Jahre 1029 BF unerwartet vor einen abrupten Zuzug von Neubürgern gestellt sehen. Phexens Sternenregen, ein Jahrhundertphänomen, bei dem es laut Volksmund “Gold und Silber vom Himmel regnete”, hat eine große Zahl von Glücksrittern in die Region gelockt. Darunter arme, aber ehrliche Schlucker, deren größter Fehler ihre Verzweiflung ist, die sie zu leichten Opfern macht, aber auch viele Vagabunden, die nicht viel Federlesen machen, um zu bekommen, was sie wollen.

Seitdem hat sich das stolze, beschauliche Handelsstädtchen maßgeblich gewandelt. Wo zuvor bürgerlicher Ordnungssinn dominierte, hat nun das Faustrecht Einzug gehalten.

Insbesondere skrupellose Geschäftemacher, die sich an den Glücksrittern bereichern wollen, stellen zunehmend ein Problem dar, da sie kaum Neigung zeigen, sich den ‘anständigen’ Rivaner Gepflogenheiten unterzuordnen. Stattdessen werden sie ein immer größerer Machtfaktor in der Stadt und drohen den Werdegang der Stadt nachhaltig zu beeinflussen. Zwar ist das alte Riva noch nicht verloren, aber die Bürger sehen sich einer großen Herausforderung gegenüber, wollen sie ihr gewohntes Leben bewahren.

Rivas glorreiche Zeiten

Noch bis vor einer Generation war Riva das Musterbild einer funktionierenden bürgerlichen Gemeinschaft. Schon die ersten Siedler lernten schnell, dass man nur dann bestehen konnte, wenn man gemeinsam an einem Strang zog, gleich ob arm oder reich, jeder musste seinen Teil beitragen. Der Erfolg gab den Bürgern recht. Die Geschäfte gingen gut, die Stadt prosperierte. Auf diesem fruchtbaren Boden gedieh gemeinschaftlicher Bürgersinn, es galt als Tugend und Ehre, sich für die Stadt und seine Bürger einzusetzen. Aus dieser Zeit resultieren viele Stiftungen, das Rathaus, einige Brunnen, Teile der Stadtbefestigung und der prächtige neue Phex- Tempel sind steingewordene Beispiele für den Rivaner Geist der gemeinsamen Stärke und des Einstehens für die Gemeinschaft.

Dieser Geist ist es, der nun in Zeiten des Wandels und der wachsenden Not von all jenen beschworen wird, die sich nach den alten, glorreichen Tagen sehnen. Die Traditionalisten bezweifeln ob sich Riva auf Dauer behaupten kann, wenn es künftig vor allem gegen- statt miteinander geht. Andererseits lässt sich nicht verhehlen, dass die Herausforderungen der jüngsten Zeit neue Wege erfordern, manch starre Tradition, wie die Besetzung des Rates vornehmlich durch Patrizier, mag sich als Hemmnis erweisen, diese zu meistern.


Язык: Deutsch | Категория: Beitrag | Дата: 27.12.24 | Просмотров: 147 | Отзывов: 0

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