»Ein Hafen für Wüstenschiffe, Weitgereister. Keine Karawane passiert die große Wüste, ohne hier Rast gemacht zu haben. Wo in den weiten Landen des Kalifen soll man sonst einen Führer durch die gleißenden Weiten des Salzsees finden? Eine Stadt wie ein Wachtturm – möge sie nie wieder in die Hände der Ungläubigen fallen! Und über allem wacht der Kalif, sein Name sei gepriesen.«
—Shanja saba Fasira, Salzgängerin aus Unau, neuzeitlich
Region: Zentrales Kalifat
Einwohner: ca. 8.000 (nahezu ausschließlich Novadis)
Herrschaft: Kalif Malkillah III., verwaltet durch einen Wesir
Tempel: drei Bethäuser des Rastullah: Bethaus der Kasimiten, Bethaus des Kalifen, Bethaus der Rechtstreuen
Handel und Gewerbe: Karawanenwirtschaft, Salz, Shadif— Pferde, Dattelwein, Gewürze, Unauer Salzlake und andere Alchimica, Unauer Glas und Porzellan
Besonderheiten: Augapfel des Kalifats; Wirtschaft auf Grundlage des Cichanebi-Salzsees; prachtvolles Mosaik in der Fischerstadt; Unauer Porzellan und Glas; unterirdische Wasserversorgung aus den Bergen durch Feggagir— Bewässerungsgräben; Residenz des Kalifen; Aufkeimende Bibliothek der Rechtsurteile im Bethaus des Kalifen Stimmung in der Stadt: Unau ist eine wehrhafte Wüstenstadt, die vor Pracht nahezu überquillt. Hier wurde gerade in jüngster Zeit viel investiert, um eine Stadt zu schaffen, die repräsentativ für das steht, was die Novadis für alle Bereiche des Kalifats als Lebensstandard anstreben. Der Kalifenhof in der Oberstadt wirkt in seiner Schönheit wie in eine andere Sphäre entrückt. Handel und Handwerk sind allgegenwärtig, überall hört man angeregte Diskussionen. Geisterhaftes Heulen umgibt die Mauern bei Nacht und gibt Hinweise auf die bewegte Geschichte der Stadt.
Die Stadt im Spiel: Unau ist eine Stadt der Helden und Tor in die zentrale Khôm. Von hier aus brechen Karawanen nach Norden auf, um die Salzwüste um den Cichanebi— Salzsee zu durchqueren. Darüber hinaus ist Unau Residenzstadt des Kalifen, in der nahezu alle Luxusgüter Aventuriens umgeschlagen werden. Dennoch begegnet man Fremden mit respektvoller Vorsicht, da der Frieden und Wohlstand der Stadt gerade in der aktuellen Krise um jeden Preis erhalten werden soll. Wer in den Augen der mächtigen Familien bestehen will, muss sich um die Stadt oder ihre Herren verdient machen. Die Versorgung mit Wasser ist ein täglicher Kampf gegen die Elemente. Seit dem Khômkrieg wird die Stadt, auch aus symbolischen Gründen, immer stärker befestigt.
Stadtrundgang
Am Südostrand der Khôm, am Fuße der nach ihr benannten Berge, erstreckt sich die Stadt Unau auf einem halbverwitterten Felsplateau. Sagen und Legenden ranken sich um die einst mittelreichische Garnisonsstadt, die die Novadis in drei Jahrhunderten mehr und mehr nach ihren Bedürfnissen umgestaltet haben. Unau wurde zu einem Symbol von Opferbereitschaft und Heldenmut für Rastullah— Anhänger wie für Zwölfgöttergläubige gleichermaßen. Die Oberstadt mit den Palästen des Kalifen ist schon von weitem zu sehen, thront sie doch oberhalb eines Meeres aus Häusern, Hütten und Zelten im Osten Unaus. Eine fünfzehn Schritt hohe Steilwand verhindert, dass sich der einsame Wanderer in dieses Viertel verirrt, ohne sich zuvor dem strengen Blick einer der 50 schwer gerüsteten Stadtwachen, der sogenannten Gelbherzen, an der Pforte der Waren oder der außerhalb der Stadtmauern gelegenen Zelt— und Fischerstadt gestellt zu haben.
Die Zeltstadt
Bevor ein Reisender um Einlass in die Gärten der wohlhabendsten Sippen ersuchen kann, führt sein Weg durch die Stadt vor der Stadt. Südlich Unaus dicker Mauern erstreckt sich eine Zeltstadt soweit das Auge reicht. Die flirrende Hitze lässt den Farbenteppich der Zelte endlos erscheinen, die wie blühende Kakteen in der Wüste anmuten. Die Bauern, die dort leben, brechen ihre Behausungen in den trockenen Monden ab und ziehen mit ihrem Vieh in die Berge. Erst ab Rondra mit dem ersten spärlichen Regen treffen die ersten Kamelherden wieder an den Ufern des salzigen Chaneb ein. Dann erfüllt das Wiehern von Shadif-Pferden und das Blöken der Bergziegen das Umland Unaus.
Die Fischerstadt
Nordwestlich der Zeltstadt schließt sich die Fischerstadt an. Dieser beleidigende Name für das ehemalige Armenviertel beruht auf der Unterstellung, seine Bewohner hätten aus Armut nur Fisch zu essen: eine Schmach für konservative Novadi – verbietet das 16. Gesetz nach Kefter Auslegung doch den Verzehr von allem, was im Wasser schwimmt. Karge Hütten und windschiefe Häuschen waren hier einst ein Schandfleck direkt vor der Haustür des Kalifen. Der junge Almosar Terem (siehe Seite 116) hat mit Segen des Kalifen jedoch reichlich in die Fischerstadt investiert: die kleinen Hütten der Vorstadt wurden befestigt, in reinen weißen Lehm getüncht, die Kranken versorgt und die Hungrigen gespeist. Die Häuser werden nun von einem verspielten mosaikbepflasterten Boden verbunden, der wie ein zweites Flüsschen neben dem Chaneb anmutet und den Namen Fischerstadt in Wohlgefallen auflöst. Um das Schauspiel abzurunden, sind funkelnde Adamanten aus dem Palast des Kalifen in den Boden eingelassen, die im Schein der Abendsonne glitzern wie Rastullahs Tränen. Der Almosar hat bei der Eröffnung des neuen Viertels versprochen, dass der Kalif so lange für alle Anwohner sorgt, bis der Gedanke, einen der Steine zu stehlen, einem lächerlichen Witz gleichkommt – keinem Novadi soll es je an etwas mangeln. Ein großzügiges Versprechen, das Rastullah erfreut. Das Mosaik wird von den Anwohnern und Wachen mit mitleidloser Härte als kultureller Schatz und Denkmal gegen auswärtige Diebe verteidigt.
Wer von der quirligen Fischerstadt bezaubert eine Erfrischung sucht, kann in der Schänke Lotusgarten (G01) (Q3, P1, G04) unterkommen. Die ehemalige Kaschemme nahe dem Stadttor war für ihre zwielichtigen Gäste berüchtigt, ist heute jedoch ein Ort, an dem sich vom Almosar gespendete Delikatessen für kleine Spende kosten lassen. Der Wirt Ilfan ben Dschaffar (65, freundliche Augen, hat einen Arm verloren, Pazifist) ist ein hartgesottener Veteran des Khômkrieges. Das Tagesgeschäft er auch mit nur einem Arm im Griff und manch ein schwarzgekleideter Fremder bekommt seinen Hass auf Al’Anfa verbal zu spüren. Die Spezialität des Lotusgarten ist der Blaue Punsch, ein süßes Gemisch aus Schmetterlingserbsentee, Rum und Zucker, dessen Stärke so mancher Reisende im Durst unterschätzte. Im Lotusgarten kann man nach ein paar Bechern noch Geschichten aus den alten Zeiten hören, als die Fischerstadt eine Brutstätte für Verzweiflung war. Überall preist man das 33. Gesetz, an das über dem Eingang des Lotusgartens in kalligraphischen Lettern erinnert wird: Die Gottgefälligen dienen der Gemeinschaft und diese dient ihnen.
Die Hackerstadt
Entlang des Ufers des Chaneb erstreckt sich die Hackerstadt, die Siedlung der vielen Tagelöhner, die ihr Geld auf den trügerischen Weiten des Salzsees verdienen. Zwischen den Lagerhäusern reihen sich große Bauten aneinander, die jede eine der wenigen Sippen beherbergen, die die Salzgewinnung unter sich aufgeteilt haben. Diese Familien hüten ihre Privilegien ebenso streng, wie sie ihre Pflichten der Stadt und ihrem Gott gegenüber erfüllen. Unter ihnen finden sich etliche Salzgänger, Menschen mit der seltenen Gabe, Wege über den Salzsee zu finden. Man erkennt die verschwiegenen Mitglieder der Bruderschaft an ihren Tätowierungen und Ritualnarben im Gesicht.
In der Schänke Cichanebi (G02) (Q3, P2, G02), auch Hackertreff genannt, verkehren sie mit den Arbeitern der Salzlagerhäuser und den Salzhackern, die mit einfachstem Werkzeug Brocken weißen Goldes aus dem Ufer des Salzsees brechen. Hier können Reisende einen Führer über den Cichanebi-See finden. Im Norden der Hackerstadt sammeln sich die Karawanen, die die Wüste durchqueren wollen. Wenn ein Handelszug aufbricht, schallt das Röhren der Kamele unerbittlich durch die engen Gassen und stört die Gebete um eine sichere Reise.
Die Unterstadt (US)
Durch das Tor der Eroberer (US01), ein zweiflügliges Portal aus massivem Zedernholz, betritt man die von einer fünf Schritt hohen weißen Mauer umgebene Unterstadt Unaus. Seine Einlegearbeiten zeigen Szenen aus dem Leben des ehemaligen Kalifen Omar al’Karim, allerdings haben die Intarsien in den zahlreichen Kriegen um die Stadt sehr gelitten und wurden schon rastullahgefällige neun Mal erneuert. Die Bewohner glauben, dass die Pforte deshalb nie wieder fallen wird. Sie ist zwar immer von mindestens einem Krieger bewacht, jedoch nur in Kriegszeiten geschlossen. Wer in feindlicher Absicht die Stadt zu betreten versucht, sieht sich unmittelbar der Garnison der Spahija (US02), der Kriegsreiter des Kalifen, gegenüber. In dem Neubau aus massiven Sandsteinquadern sind die 200 Soldaten und ihre Shadifs untergebracht. Eine vier Schritt hohe Mauer schützt die rechteckige Anlage vor Überfällen und bildet ein Bollwerk in der Stadt. Linkerhand empfängt den durstigen Reisenden das Gasthaus Die Peitsche (G03) (Q3, P2, G01). Die ordentliche Herberge ist für ihre Gastfreundlichkeit gegenüber Andersgläubigen und die feinen Speisen zu einem anständigen Preis bekannt. Der angegliederte Stall bietet ausreichend Platz für die Reittiere der Gäste. Während der winterlichen Reiterfeste organisiert der wettbegeisterte Wirt Kalim (43, frech, liebt Kalligraphie) die Buchmacher.
Passiert man den weitläufigen Vorplatz der Garnison und lässt die dicht gedrängt stehenden Wohnhäuser links liegen, erreicht man den Hain der Gnade, ein lichtes Wäldchen aus Mandelbäumen und Dattelpalmen mit einem öffentlichen Brunnen, der aus einer Foggara, einer unterirdischen Wasserrinne, gespeist wird. Inmitten der Trockenheit, die die Stadt umgibt, wirkt dieser Ort des Lebens nahezu wie das Zelt des All-Einen. Echte Bäume gibt es sonst nur in der Oberstadt, wo die Paläste der alten Familien von Gärten mit Palmen und Mandelbäumen gesäumt werden. Am Brunnen herrscht ein ständiges Kommen und Gehen von Bauern, Wasserträgern, Sklaven und Hirten, sodass sich oft lange Schlangen bilden. Der Hain ist trotz allem aber auch ein Ort der Entspannung und beliebter Treffpunkt der Unauer Bürger. Betagte Karawanenführer berichten im Schatten der Feigenbäume von ihren weiten Reisen und den großen Gefahren, die die Novadis außerhalb Rastullahs schützendem Zelt erwarten. Kinderaugen leuchten, während sie den Geschichten mit gespitzten Ohren lauschen – und so mancher Entschluss, den Salzsee hinter sich zu lassen, wurde hier geboren.
Wie in jeder Oase liegt auch in Unau eine große Karawanserei im Stadtzentrum. Allerdings ist dieser Funduq (G04) der größte seiner Art, mit einem eigenen Basar im Zentrum. Schlafräume und Stallungen sind fast immer voll belegt; Kaufleute aus allen Teilen des Kalifats nächtigen hier und schließen bei einer Partie Rote und Weiße Kamele oder einem Dattelwein so manch gewinnbringendes Geschäft ab. Dem Funduq angeschlossen ist eine Schmiede, in der man seinen frisch erworbenen Shadif beschlagen lassen kann.
Die Karawanserei bildet den Mittelpunkt des Unauer Wirtschaftslebens. Die Straße zwischen dem Tor der Eroberer und dem Funduq wird von zahlreichen Läden gesäumt, in denen man typische Erzeugnisse der Region – Konfekt, Nomadenteppiche und das berühmte Unauer Glas und Porzellan – erstehen kann. Dieses wertvolle Material verleiht dem Stadtnorden, dem Scherbenviertel, seinen Namen. In niedrigen, rußig-schwarzen Lehmbauten gehen die Alchimisten, Glasgießer und -bläser sowie Porzellanbrenner ihren peinlich gehüteten Handwerksgeheimnissen nach. Karaffen aus Unau sind der letzte Schrei auf horasischen Banketten und so manch eine aventurische Macht würde tausende Marawedi springen lassen, um die Geheimnisse des filigranen Porzellans zu erfahren. Salz ist dennoch die Handelsware Nummer Eins; die übliche Einheit ist hier die (Speise-)Salzplatte von 100 Stein zum Preis von 16 Marawedis. Wer Alchimica sucht, muss sich tiefer in die Gassen der Unterstadt wagen und muss damit rechnen, dass Preise für die seltenen Waren mit dem Interesse der Kundschaft steigen.
Ganz in der Nähe erhebt sich das Haus der Emissäre (US03), die Unterkunft für ausländische Gäste des Kalifen. Außen schlicht, erschlägt den Besucher die Pracht der Räumlichkeiten. Wachen der Gelbherzen sorgen jederzeit für Sicherheit. Nur wenige Häuser weiter stiftete Mawdli Kasim ben Ilram, einer der schärfsten Gegner der Unauer Schule, vor etwa 140 Jahren das Bethaus der Kasimiten (T01). Seine Nachfahren und Jünger bilden trotz schwerster Niederlagen noch heute eine radikale Sekte, neben der die Kefter Mawdliyat gemäßigt wirken. Der Betraum des Gebäudes mit den vier Türmen ist innen mit den 99 Gesetzen Rastullahs in kunstvollen Lettern ausgekleidet, damit sie der Gläubige stets vor Augen hat. Zier des Bethauses ist eine Kupferplatte mit Rastullahs Fußabdruck. Einst fand sich hier auch die Originalschrift des wegweisenden philosophischen Werks Die sieben Wahrheiten des menschlichen Geistes, das die Al’Anfaner als Kriegbeute an sich rissen.
Das Bethaus der Kalifen (T02), das Haupthaus der Unauer Schule, ist das größte seiner Art. Das Gebäude mit seinen sandsteinernen Mauern und den massiven Deckenbalken und einem Vordach aus Zedernholz zeugt von der Macht Rastullahs. Allerdings steht das Haus nur den neun Familien, dem Hofstaat des Kalifen und wenigen Auserwählten der Unterstadt offen; alle anderen müssen den All-Einen in zwei anderen Bethäusern lobpreisen. Der Hohe Mawdli Unaus wacht über ein heiliges Standbild, das Rastullahs Augen zeigt. Der größte Schatz aber ist eine überlebensgroße Büste aus einem unbekannten, schimmernden Material, genannt Rastullahs Auge, die der Kalif aus Mherwed mitgebracht hat. Ein neues Projekt des Hohen Mawdlis Asch’na Gar (siehe Seite 109) baut im Schutz des Bethauses eine Bibliothek der Rechtsurteile auf, in der sämtliche rechtlichen Prozesse und Ergebnisse des Kalifats katalogisiert werden sollen, um als Material für bessere Entscheidungsfindung konsultiert werden zu können.
Das Bethaus der Rechtstreuen (T03) ist gänzlich auf das Veranstalten von Diskussionswettbewerben ausgelegt und bietet ein Podium unter kunstvollen Stalagtitengewölben. Hier lässt man in guter Tradition der Unauer Schule auch andersgläubige Gäste von ihrer Weltsicht berichten, wobei diese Veranstaltungen sich Tage ziehen können, aber immer von Festessen begleitet sind, die vom Ehemann des Hohen Mawdlis Asch’na Gar, Hasan (33, schwarze Locken, angenehme Stimme, Unauer Schule), veranstaltet werden, wenn er nach diplomatischen Reisen in Unau seinem Mann berichtet.
Im Gasthaus Bei Assaf (G05) (Q4, P4, G03), dessen gleichnamiger Wirt am Salz nicht spart, verkehren ausschließlich Novadis. Andersgläubige werden freundlich gebeten, diese Ausnahme zu achten, und wer sich weigert, macht Bekanntschaft mit den Gelbherzen, deren Garnison (US04) sich entlang der inneren Mauer erhebt. Ihr Name leitet sich vom traditionellen Symbol Unaus, dem gespaltenen gelben Echsenschädel, ab. Mittlerweile hat ein goldener Löwe als Sinnbild des Kalifen das alte Motiv abgelöst, doch der Name der Garnison blieb erhalten. Sie rekrutieren sich aus dem Stamm der Beni Khibera und werden fast ausschließlich von Mitgliedern der neun oberen Familien angeführt. Die Ehre, der Stadtwache anzugehören, wird nur den Tapfersten Amadahim zuteil.
Die Oberstadt (OS)
Durch das Tor der Wolken (OS01) gelangen tagtäglich Fleisch und Früchte in die Oberstadt, um an den Tafeln der neun reichsten Familien Unaus verspeist zu werden. Dank der ausgeklügelten Wasserversorgung und den stets gepflegten Gärten und Feldern der Serails kann der hochgelegene Stadtteil im Falle der Belagerung mehrere Monde ohne Versorgung ausharren. Auswärtige können das Tor nur auf Einladung eines der Obersten passieren – und werden auch dann genauester Untersuchung unterzogen. Der alternative Weg in die Oberstadt – durch das Bethaus der Kalifen – steht nur den neun hohen Familien Unaus offen.