»Thalusa, wo Sonne und Wasser Hochzeit halten? Châra! Das Einzige, was hier Hochzeit hält, sind Richtschwert und Hälse!«
—Vataz, Anführer/in des Blauen Lotos, neuzeitlich
Region: Thalusien, östliches Kalifat
Einwohner: 7000
Herrschaft: Sultanat unter der Herrschaft des schwarzen Elfen Dolguruk
Tempel: Al’Mahmoud, Efferd, Praios, Rastullah (zugemauert), Schreine von Ras’Ragh und Peradschaja
Handel und Gewerbe: Datteln, Esel, Hirse, Linsen, Lotos, Mandeln, Maultiere, Nelken, Paprika, Papyrus, Pfeffer, Perlen, Perlmutt, Reis, Reiswein, Seide, Sklaven, Tee, Teppiche, Tomaten, Tuche, Zwiebeln
Besonderheiten: Wehrmauer rund um die Stadt, das „Loch“: ein Schaukerker vor dem Sultanspalast, das zugemauerte Bethaus des Rastullah, prachtvoller Efferdtempel, Praiostempel aus Bosparanischer Zeit, Handelshafen mit Bootshäusern und bewohnten Schiffswracks, die Brücke der drei Töchter, öffentliche Hinrichtungen und Verstümmelungen, viele gelebte urtulamidische Traditionen
Stimmung in der Stadt: Die Mehrheit der Bevölkerung Thalusas fristet ihr Dasein in ärmlichen Verhältnissen, die Menschen sind angsterfüllt und unterwürfig. Der harte Alltag ist geprägt von Hunger. Selbst Gutsbesitzer, Händler und die besser gestellten Handwerker leben aus Angst vor dem despotischen Herrscher zurückgezogen. Fremde und Rastullahgläubige werden seit jeher von allen Schichten argwöhnisch beäugt.
Die Stadt im Spiel: Trotz des eingeschränkten Warenumschlags schätzen Kaufleute Thalusa für seine Handelsgüter. Mutige Händler, die sich weder vor Piraten im Golf von Tuzak, Rebellen im Umland noch den willkürlichen Gesetzen fürchten, suchen hier Söldlinge, die ihre Karawanen bewachen und sicher durch die Stadt geleiten. Gelehrte wie Glücksritter nutzen die Metropole als Ausgangsort für ihre Expeditionen ins kaum erforschte Hinterland.
Stadtrundgang
An der Mündung des trüben Thalusim zwischen winddurchströmten Trogtälern des Stierbuckels und des Thalus-Massivs liegt Thalusa, die Hauptstadt des namensgebenden Sultanats Thalusien – ein Ort voller urtümlicher Traditionen und Bräuche aus vergangenen Zeiten. Der einstige Glanz der Handelsmetropole mit seinen weißgetünchten Häusern und Villen ist längst verblasst. Seit der schwarze Elf Dolguruk (siehe Seite 114) 1024 BF den ehemaligen Herrscher stürzte und seine Schreckensherrschaft begann, ist die Hauptstadt in Lethargie gefangen und außer mit dem „befreundeten“ Al’Anfa und der Fürstkomturei Maraskan floriert der Handel kaum. Doch außerhalb der wuchtigen Mauern keimt der Widerstand gegen die Tyrannei und Unterdrückung. Auf Wände geschmierte Lotosblüten lassen Menschen wieder an etwas glauben, was sie lange tief in ihren Herzen verschlossen hielten – Hoffnung!
Südstadt (SÜ)
Reisende, die die Stadt durch das Handelstor (SÜ01) in Richtung Ronishagen verlassen, können nach zwei Meilen abseits der Straße in einem Palmenwald auf die Ruinen der ehemaligen Academia Telekinesiae Talusica Silemiensis stoßen.
Die Südstadt Thalusas kommt einem Elendsviertel gleich und ihre Bewohner sind arme Handwerker, Tagelöhner und Hafenarbeiter, die mit ihren Familien jeden Tag aufs Neue versuchen, ihren Hunger zu stillen. Wer nicht gerade seiner Arbeit nachgeht, der meidet die staubigen Gassen mit ihren eng aneinander liegenden Lehmhäusern.
Hinter zerrissenen Stoffbahnen und grob gezimmerten Vordächern aus Brabaker Rohr lauert eine düstere Schattenwelt. Reisende, die in diesem Gewirr die Übersicht verlieren, fallen leicht in die gierigen Hände von Beutelschneidern.
Da auf die kleinsten Räubereien drakonischen Strafen folgen, verwundert es niemanden, dass selten ein Opfer diesen Hinterhalt überlebt.
Wer Thalusa auf dem Schiffsweg erreicht, dessen Reise endet in der Südstadt am Handelshafen. Der Anblick der wehrhaften Stadtmauer, die die Stadt umgibt, vermittelt einen falschen Eindruck von Sicherheit. Wo früher unzählige Schiffe aus den verschiedensten Ländern festmachten, um Proviant, Wasser und Ladung aufzunehmen, dümpeln heute verwahrloste Hausboote und bewohnte Schiffswracks an den Kaianlagen. Die Behausungen, die im schmutzigbraunen Wasser des Thalusim vor sich hin rotten, sind mit behelfsmäßigen Brücken und Planken verbunden. In diesem Labyrinth leben die Ärmsten der Stadt. Aus diesem Chaos sticht das Schankboot Sharm en’Nupharim (G01) (Q2/P2/S13) (tul.: Seerosenbucht) heraus. Das halbversunkene Schiff ist nur über wacklige Stege und morsche Strickleitern zu erreichen. Die darin befindliche Herberge ist so arg heruntergekommen, dass selbst die Stadtgarde hier selten nach dem Rechten sieht. Zwischen den Lagerhäusern des Hafens bestaunt man das prächtigste Gebäude der Stadt, den Salztempel (T01) des Efferd. Mit seinen blau-weißen Zwiebeltürmchen und Mosaiken aus Perlmutt ragt er auffällig aus dem Elend heraus. Unter der Leitung des gebrechlichen Meisters des Flusses Faramud ben Benayman (*969 BF, runzliges Gesicht, schütteres Haar, gemütlich) zieht dieser erhabene Bau viele Gläubige an, vor allem die Fischer knien auf den Tempelstufen und opfern hier für einen segensreichen Fang.
In den engen Gassen dahinter gelangt man in den eigentlichen Teil der von Armut geprägten Südstadt. Umgeben von verwahrlosten Häusern und Handwerksbetrieben liegt das unscheinbare Haus der Unendlichkeit (T02), der Tempel des Al’Mahmoud, einer lokalen Gottheit, die über die Zeit gebietet. Die Einwohner Thalusas senken stets demütig den Kopf und beten still für eine bessere Zukunft. Matrosen und Schauerleute, die der schwülen Hitze entfliehen wollen, suchen die Schänke Windstärke 13 (G02) (Q1/P2/S12) auf. Hier löschen Gäste ihren Durst mit thalusischem Reisbier.
Nordstadt (NO)
Der Norden bildet mit dem festungsartigen Palast des Sultans und den Prachtbauten der Gutsherren und Kaufleute das Zentrum der Metropole. Im westlichen Teil liegen die auch die Werkstätten der besser gestellten Handwerker. Unterhalb der Nordstadt erstrecken sich die Überreste einer alten Kanalisation. Diese vergessenen Tunnel sind teilweise eingebrochen, einsturzgefährdet oder stehen unter Wasser. Nur wenige Eingeweihte wissen um die Zugänge, die nicht selten als Fluchttunnel genutzt werden. Berichten zufolge lauert in den düsteren Gängen eine riesige Gruftassel. Wie der Sultan hat sie eine besondere Vorliebe: Das Sammeln von Schädeln.
Beim Fertigstellen der Brücke der drei Töchter (NO01), die Nord— und Südstadt verbindet, soll der Legende nach der Erbauer seine Töchter als Opfer in je einen der drei Brückenpfeiler eingemauert haben. Personen, die das Bauwerk überqueren wollen, spenden an den Schreinen der Mädchen Blüten, Räucherstäbchen oder Reiswein, die findige Händler auf beiden Seiten des Flusses anpreisen; wer dieser Tradition nicht nachkommt, muss „die Rache der Wächterinnen“ fürchten, so heißt es. Reisenden, Kaufleuten und Kapitänen, die auf der Suche nach einer gepflegten Unterkunft sind, wird die Herberge Zahrayazamin Aram (G03) (Q4/P5/S22) (tul.: Jasminblütenhaus) empfohlen. Im Innenhof des tulamidischen Gasthauses genießt der von der Hitze Geplagte im Schatten von Stoffbahnen seine Wasserpfeife und trinkt geminztes Tulamidengold zum wohligen Klang der Zitar. Die Wege der Gelehrten, die urtulamidische Bräuche studieren, führen zum Schrein des Ras’Ragh (T03), einem aus Sandstein geformten Stierkopf mit sechs Hörnern. Am Monument des Gottes für Kampf, Viehherden und Potenz trifft man häufig auf Söldner, die dem stiergestaltigen Gott huldigen. Folgt man den Straßen und Gassen hier weiter gen Westen, kommt man zum Ras’Ragh-&-Rascha-Tor (NO02), einem von zwei Stadttoren in der Mauer der Nordstadt.
Im nördlichen Kriegshafen liegt die Flotte des Sultans vor Anker: Die meisten Zedrakken sind in einem maroden Zustand, einzig die beiden Flaggschiffe Himmelsfeuer und Schwarzer Stier bieten einen eindrucksvollen Anblick. Hinter den Werften des Hafens erspäht man die im mittelreichischen Baustil errichtete Kaserne der Löwen von Thalusa (NO03). Diese schwergerüstete Eliteeinheit steht dem Sultan und einigen Gutsherren der Umgebung zu Diensten. Dort wird auch das stark bewachte Waffenarsenal der Stadt gelagert.
Geschäftiges Treiben herrscht auf dem Platz vor dem Auktionshaus der Sklavenhändler (NO05). Hier hatte, bevor Dolguruk die Macht übernahm, die Kriegerakademie Ehre und Stahl ihren Sitz. Heute werden an diesem Ort Unglückliche an Reiche und Händler versteigert. Ebenfalls am Sklavenmarkt findet man das Bordell Pulimantan (G04) (Q5/P6/S20), ein luxuriöses Etablissement, in dem einem alle Wünsche von den Augen abgelesen werden. Gäste des Hauses erhalten für eine großzügige Zahlung ein komfortables Zimmer, welches aber nur leidlich Schutz vor Spitzeln bietet.
Im Herzen Thalusas, neben dem Großen Platz, liegt das Bethaus Kar Rastullah (T05). Wo einst Pilger den prächtigen Garten samt Tempel besuchten, herrscht heute gespenstische Stille. Neugierige, die einen Blick über die kleine Außenmauer werfen, entdecken durch verwilderte Sträucher und Gräser die zugemauerten Fenster und Tore. Hier ließ der schwarze Elf die Rastullahgläubigen in das Gotteshaus treiben und lebendig einmauern. Was im Inneren passierte, ist umstritten. Viele Thalushim glauben, dass die verhungerten Leiber die Stadt heimsuchen werden, sobald man die Steine aufbricht.*
Über einen geheimen Kanal rettete der Novadische Widerstand (siehe Seite 121) viele Rastullahgläubige aus dem eingemauerten Tempel. Nur der Mawdli blieb zurück und betete laut hörbar täglich die 99 Gesetze. Eines Tages brach aber der Versorgungsschacht zusammen, sodass der Rechtsgelehrte ohne Nahrung sein Ende fand. Noch heute geht sein Geist weiterhin um und rezitiert die Texte des All-Einen.
Gegenüber, in der Garnison (NO06), haben die aufmerksamen Männer der Stadtgarde, die sogenannten Thalusimer in blauweißen Uniformen, ihre Unterkunft. Aus den vergitterten Kellerfenstern hört man das Jammern und Stöhnen der Gefangenen, die hier auf ihre Urteilsvollstreckungen warten.
Am östlichen Ende der Stadtmitte ragt der Sultanspalast (NO07) empor: ein schmuckloser, zweistöckiger Klotz, der eine Kälte ausstrahlt, die den Betrachter trotz der schwülen Hitze frösteln lässt. Die Palastanlage ist von einer vier Schritt hohen Mauer umgeben, gekrönt von Spießen und einer messerscharfen Stahlkante. Im Ganzen gleicht der Bau mit seinen an Schießscharten gemahnenden Fenstern eher einer Festung denn einem Prachtbau. Im Bodenpflaster vor dem Palast ist ein rundes Gitter eingelassen, denn hier liegt Das Loch (NO08).
Der mit Unrat und Exkrementen verdreckte Kerker ist ein vier Schritt tiefer, anderthalb Schritt breiter Schacht, in dem die zum Tode verurteilten Männer bis zur Hinrichtung ausgestellt werden. Frauen warten in der Garnison auf ihre Urteilsvollstreckung. Das Gitter des Lochs ist angeblich magisch gesichert und mit einem goldenen Schloss versehen.
Für Schminke, Haarfärbemittel und Tinkturen suchen Interessierte das Haus des Wandelbaren (NO09) auf. Früher gehörte es dem berühmten Scharlatan Haschnabah ibn Djinni. Nachdem ans Licht kam, dass er mit dem Widerstand sympathisierte, wurde der alte Mann hingerichtet. Das Eigentum einschließlich aller Habseligkeiten des Scharlatans ging an das einflussreiche Haus des Askash ibn Darban (NO10) (siehe Seite 120). Er ist der größte Grundbesitzer des Umlandes, der seinen Reichtum durch Reis und Sklavenhandel erlangt hat und seine guten Kontakte zu den örtlichen Beamten und Gardisten ausnutzt. Die Schänke Zum Osttor (G05) (Q3/P3) dient als Treffpunkt der Stadtgardisten und Söldner der Stadt. Gegenüber Fremden ist das Personal geradezu ätzend.
Reisende von der Kanopenstraße kehren in die Karawanserei Goldkranich (G06) (Q4/P4/S30) ein. Auf dem angeschlossenen Basar handelt man mit allem, was das Herz begehrt. Gegenüber dem geschäftigen Treiben erhebt sich die trutzige Perlenbastion (NO11), wo einst Truppen aus Khunchom stationiert waren. Heute beherbergt sie aufgrund der anhaltenden Probleme mit aufkeimenden Widerstandsgruppen die neu aufgestellte Söldnereinheiten der Zalasaifim (tul.: Schwertschatten). Direkt neben der Bastion liegt das Osttor (NO12).
Jenseits der Stadtmauer
Außerhalb der Stadtbefestigung Thalusas gibt es nur vereinzelte Gebäude und vor allem Felder. Lediglich der Schrein der Peradschaja (T06) in der Nähe des Ufers des Perlenmeeres zieht den ein oder anderen Besucher aus der Stadt an. Erwähnenswert ist ansonsten vor allem eine Arena. Die von Murak-Horas errichtete Anlage ist über die Jahrhunderte tief in den schlammigen Boden eingesunken. Unter dem gestrengen Blick der Statue des sechsgehörnten Bullen Ras’Ragh veranstalten die Thaluser hier blutige Stierkämpfe.
Thalusfurt
Angeblich eine der ältesten Ortschaften Thalusiens ist Furutkanda, unter mittelreichischem Namen bekannt als Thalusfurt (EW: 400). Regelmäßig finden hier die berühmten Fischerstechen statt, bei denen Mannschaften auf dem Thalusim versuchen, sich gegenseitig ins Wasser zu befördern. Reisende werden gerne eingeladen, teilzunehmen, müssen dabei aber oft feststellen, dass zu dem Sport deutlich mehr Taktik und Übung gehört, als es von außen den Anschein macht. Gelegentlich finden sich hier auch Glücksritter und Archäologen ein, die nach alten Tempelschätzen eines verschütteten Al’Mahmoud-Tempels suchen, zu dem sich Hinweise in alttulamidischen Schriftrollen finden. Auch Dolguruk soll hinter der Stätte des Zeitgottes her sein.