»Dem Klang der Harfe folgend, reisten wir
und fanden Freud und Leid.
Sang der Runjas, wird er nimmer enden?«
Es ist nahe liegend, in der Skaldenschule von Olport, der Skaldenhalla, Näheres über den Skalden – und damit über Jandra – in Erfahrung zu bringen.
Die Skaldenhalla ist Teil der Runajasko von Olport (Westwind 59 ff.). Eine Beschreibung Olports finden Sie in Westwind 98 ff. für den Fall, dass Sie den Aufenthalt der Helden in Olport noch mit einigen Ereignissen in der Siedlung würzen wollen.
Vor dem Ausschluss aus der Grauen Gilde zeigte sich die Runajasko als ein Haus, das dem wissbegierigen Wanderer offen stand. Seit der Wiederentdeckung der Runenmagie und dem Streit mit den Puniner Gildenmagiern sieht es anders aus: Man ist misstrauisch gegenüber Besuchern geworden. Nicht alle Runajaski sind mit dieser Entwicklung einverstanden. Die weltoffenen Skalden, die großen Wert darauf legen, sich mit anderen Sängern und Geschichtenerzählern auszutauschen, zeigen sich wenig beglückt über die Fügung der jüngsten Zeit, auch wenn sie die Weisung des Rates befolgen.
Die Helden haben Glück, als sie an das Tor der Runajasko klopfen. Eine junge Skaldin wird Zeugin, als sie um Einlass begehren. Sie benachrichtigt sogleich den Leiter der Skaldenhalla Askir Vandradsson. Dieser zögert nicht lange, als er die Harfe Godsögnsvanir zu Gesicht bekommt. Solch ein außergewöhnliches Instrument hat eine Geschichte zu erzählen, die er hören will, ebenso wie ihr Träger. Askir befragt die Helden ausführlich, wie sie in den Besitz der Harfe gekommen sind, zumal wenn sie keine Thorwaler sind.
Zum Vorlesen oder Nacherzählen:
Als Askir die Harfe in seine Hände nimmt, erbeben die Saiten leicht und geben einen dissonanten Ton von sich, noch bevor er sie angeschlagen hat. Der Skalde runzelt nachdenklich die Stirn und lässt die Finger über die Saiten streichen. Es ertönt die euch bekannte Melodie von Jandras Saga, klar und schön.
Doch dann mischt sich ein schriller Ton in den Klang, die Weise wird unmerklich düsterer, bis Askirs Stimme grell in euren Ohren klingt.
»Gewappnet, einen Skadimader* zu stellen,
Traf der Blick des Seidmader** sie ahnungslos.
Dunkles Wesen erhob sich aus dem Nichts.Ein mächtiges Maul, alles Land zu verschlingen;
Keine Wehr, dem zu begegnen.
Wehe dir, Jandra, du sollst scheitern!Keine Rettung, keine Rettung,
Wenn der bleiche Tod dein Antlitz küsst.
Wehe uns, wir sind verloren.«*) Totschläger; **) Hexer
Erschrocken lässt Askir das Instrument fallen und blickt euch mit schreckgeweiteten Augen an. Auf seiner Stirn haben sich Schweißperlen gebildet und seine Finger zittern merklich.
"Düstere Klänge, düstere Worte", sagt er schließlich, "keine gute Nachricht, die die Harfe bringt. Aber", er blickt euch trotzig an, "es ist eine Saga, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Das muss nicht die letzte Strophe in Jandra Sturmkinds Sang sein, bei Swafnir. Das ist sie nur, wenn man es dabei belässt. Es ist offenbar an euch, die Fäden des Schicksal in die Hand zu nehmen. Geht, sorgt dafür, dass das Lied eine neue Strophe bekommt."
Es gelingt Askir nicht, dem Instrument ein anderes Lied (oder eine andere Strophe der Jandra-Saga) zu entlocken, ebenso wenig wie jedem anderen, der es versucht, mit Ausnahme der Heldengruppe. Folgendes können die Helden in der Runajasko außerdem in Erfahrung bringen:
- Thure ist kein Skalde der Olporter Schule. Wahrscheinlich hat er sein Handwerk bei einem der vielen wandernden Skalden erlernt. Einen bedeutenden Sang hat er nicht hervorgebracht, sonst wüsste man in Olport davon.
- Die Saga von Jandra Sturmkind war noch zu jung und Jandras Verbannung kam zu früh, als dass es eine niedergeschriebene Fassung gäbe.
- Thure hat gegen das Gesetz der Skalden verstoßen, als er den Sang einer Verbannten verbreitete. Dass er es bis über seinen Tod hinaus getan hat, deutet Askir als Zeichen des Schicksals; ebenso, dass es Thure ausgerechnet jetzt gelungen ist, willige Zuhörer zu finden.
- Askir lässt alle Skalden, die sich innerhalb einer Tagesreise befinden, nach Olport rufen. Es sind immerhin ein Dutzend, die sich im Laufe der nächsten Tage dort versammeln. Ihnen soll der Träger der Harfe Jandras Lied vortragen. Etwaige Zweifel, dass man die Saga einer Verbannten nicht vortragen dürfe, wischt Askir beiseite. Allerdings denken längst nicht alle der Versammelten so, drei von ihnen verlassen empört die Skaldenhalla.
Keiner der Übrigen hat jemals Jandras Lied zu hören bekommen. Aber einer von ihnen, dessen Meisterin vor Jahren den Norden durchwandert hat, kennt ein Lied von einer heldenhaften Ottaskin ohne Namen, die tapfer gegen einen Westwinddrachen gekämpft hat und deren Anführerin auf der Jagd nach einem finsteren Zauberer war. Die Strophen des Liedes beschreiben eindeutig Mitglieder aus Jandras Mannschaft. - Die Harfe Godsögnsvanir weckt die Neugier der Runajasko-Magier, die sich das Instrument gerne einmal genauer ansehen wollen. Ihr Urteil ist einhellig: Die Harfe birgt keine arkane Kraft. Man schließt, dass die Runjas (Westwind 55) durch die Saiten der Harfe sprächen und dass ihr Lied das Lied großer Helden sei. Allerdings weiß keiner der Runajaski vom göttlichen Ursprung des Instruments.
Nach diesem Urteil begegnen die Runajaski den Helden voller Achtung. Man ist sich einig, dass die Helden und Jandra ein Schicksalsband verbindet und dass es an den Gefährten ist, Jandra bei ihrer Schicksalsaufgabe zu helfen – eine große Ehre. Man ermuntert sie, Jandras Spur zu folgen und in Erfahrung zu bringen, welche Aufgabe das Schicksal für sie bereithält. Der Hinweis, dass Jandra womöglich schon lange tot sei (oder ähnliche Zweifel, die die Helden äußern), beeindruckt die Olporter dabei nicht im Mindesten. Gut möglich, dass das so sei, oder aber auch nicht, die Wege der Götter seien nun einmal unergründlich. Es werde schon alles rechtens sein, denn warum sonst sollte die Harfe die Helden auserkoren haben, und mit dem Tod und der Endgültigkeit sei das ja nun auch so eine Sache.
Versuchen Sie den Spielern das Gefühl zu vermitteln, auserkoren zu sein; ein gutes Gefühl, wenn man sich in heldentypische Beschwernisse und Verwicklungen begibt. Betonen Sie, dass Jandras Saga noch lange nicht vorbei ist.
Hilfe, meine Helden sind neu in der Saga!
Auch für Helden, die Das Sturmkind nicht gespielt haben, führt die Spur nach Olport, um nach dem Ursprung von Jandras Saga zu suchen. Die Skalden zeigen sich ähnlich hilfsbereit, auch wenn es den Helden mehr Mühe machen dürfte, ohne die Harfe Zutritt zur Runajasko zu bekommen. Zunächst empfängt sie Osliva Lingardsdottir, eine der Lehrerinnen der Schule. Sie erinnert sich, dass die Helden nicht die Ersten waren, von der sie die Saga vom Sturmkind gehört hat. Sie erzählt den Helden, dass Jandras Skalde Thure lange Jahre durch das Land gezogen ist, um die Saga über die vergessene Hetfrau zu verbreiten, und dass niemand ihm zuhören wollte. Dann aber muss es ihm gelungen sein, die Herzen einiger tapferer Recken zu erweichen. Osliva erzählt, dass Thures Harfe auf verschlungenen Wegen in die Runajasko gekommen sei. Sie holt sie, um das Lied auf Thures Instrument vorzuspielen. Doch verweigert sich die Harfe der kunstfertigen Skaldin. Erst als einer der Helden sie an sich nimmt, vermag er ihr das Lied und die neuen prophetischen Strophen zu entlocken. (Sie können den Helden nun die Geschichte von Jandra Sturmkind erzählen, wie sie im Abenteuer Das Sturmkind erzählt worden ist.) Daraufhin ruft man Askir herbei. Es geschieht das oben beschriebene. Askir übergibt die Harfe nun an die Helden: "Die Harfe hat die Rekker erwählt, die auserkoren sind, Jandras Schicksal zu teilen. Erweist Euch dieser Ehre würdig. Tragt Euer Schicksal!"
Abergläublische Skalden
Als die Helden in einem Ort Nachforschungen anstellen, ist zufällig einer der drei Skalden zugegen, die zornig die Runajasko verlassen haben, als der verbotenen Sang von Jandra angestimmt worden ist. Der Skalde will es nicht dulden, dass die Helden gegen thorwalsches Gesetz verstoßen und die Erinnerung an die Verbannte neu beleben. Er nutzt seinen Einfluss, um den Helden Steine in den Weg zu legen. Sei es, dass er ihr Vergehen beim Jarl anzeigt, der die Helden daraufhin einer unangenehmen und langwierigen Befragung unterzieht und ihnen untersagt, weiter in seinem Einflussbereich nach Jandra zu forschen und die Kunde von ihr zu verbreiten; sei es, dass der Skalde jedem thorwalschen Wanderer die Warnung zuflüstert, sich nicht mit den Frevlern einzulassen, mit der Bitte, diese zu verbreiten. Manches sonst gastfreundliche Haus bleibt den Helden daraufhin verschlossen und die freundlichen Thorwaler reagieren mit einem Mal argwöhnisch, ja, ablehnend oder gar aggressiv, da sie nichts mit Gesetzesbrechern zu tun haben wollen.
Auf nach Norden
»Blaue See, kalt wie Eis.
Schneidend wie Stahl der kalte Wind.
Unsere Herzen folgen frohen Mutes dem Ruf.
Wetterleuchten kündet von Efferds kaltem Zorn.
Nichts und niemand, der seinen Groll besänftigen könnte.
Werden wir zum Spielball seiner Launen?«
Mit der Unterstützung der Runajasko finden die Helden bald eine Passage auf einem Schiff, das sie weiter nach Norden bringen soll. Es handelt sich um einen kleinen einmastigen Handelssegler, die Brennawyn, die noch vor den Winterstürmen Gjalskermund erreichen will, wo die albernische Eignerfamilie ein Kontor unterhält. Sechs Mann Besatzung, darunter zwei Albernier (Rhuffyd und seine Schwester Linddir) und vier Thorwaler (Thorwulf, Jorge, Ralluf und Lindis), zählt das Schiff unter dem Kommando von Kapitänin Fianna Efferdwyn. Als Passagiere müssen die Helden an Bord keine Arbeiten übernehmen, allerdings wird man eine hilfreiche Hand nicht ablehnen, sofern sie sachkundig ist. Auf dem kleinen Schiff ist der Kontakt zwischen Mannschaft und Passagieren zwangsläufig eng. Ob die Helden darüber hinaus zur Mannschaft freundschaftlichen Kontakt suchen, hängt von ihnen ab.
Zunächst verläuft die Fahrt ruhig, und die Kapitänin ist guten Mutes, in fünf bis sechs Tagen Gjalskermund zu erreichen. Auf Wunsch der Helden macht man in Virport Station.
Virport
Aus Virport stammt das letzte Lebenszeichen von Sjoren, Bridgeras Bruder. Der Skoggang bedeutet, dass der Verurteilte seine Heimat binnen weniger Tage verlassen muss und künftig keinen Fuß mehr auf thorwalschen Boden setzen darf. Monate nach ihrem Aufbruch hätte Jandra sich in Thorwal nicht mehr blicken lassen dürfen. Sie musste außerdem davon ausgehen, dass ihre Verbannung bereits in den meisten Häfen bekannt ist. Es ist wenig wahrscheinlich, dass sie sich die ganze Zeit in Thorwal aufgehalten hat und niemand sie gesehen hat. Insofern erscheint eine Rückkehr in ihre Heimat als ein ungeheures Wagnis, das sie sicher nicht ohne guten Grund auf sich genommen hat.
Den norbardischen Händler können die Helden nicht mehr ausfindig machen. Dafür erinnert sich einer der Ältesten des Ortes, der ehemalige Krämer Wulfhard Wulfhardisson, tatsächlich an Jandra. Sie und drei ihrer Gefährten (beschreiben die Helden Sjoren, kann sich der Alte sogar an ihn erinnern) hatten sich unerkannt in die Stadt begeben, vorgeblich um Ausrüstung für die Reise in Eis und Schnee zu besorgen. Jandra zahlte das Dreifache des üblichen Preises für seine Verschwiegenheit, kein zu hoher Preis für ein vierzigjähriges Schweigen und ein guter Grund, sich gut an sie zu erinnern. Sie erkundigte sich außerdem nach einem Heilari, der Name Harder ist ihm allerdings entfallen. Wulfhard konnte ihr berichten, dass ein Mann, auf den die Beschreibung passte, wenige Tage vor ihr in den Hafen gekommen war und in großer Eile eine Passage nach Gjalskermund gesucht und gefunden hatte. Er wurde von einem jungen Kerl begleitet, der nicht recht bei Sinnen zu sein schien. Als die Thorwalerin dies gehört hatte, schien sie sehr aufgebracht und drängte augenblicklich zum Aufbruch.
Der Sturm
Am vierten Tag ihrer Reise schlägt das Schicksal den Reisenden ein böses Schnippchen: Das Schiff gerät in einen schrecklichen Sturm.
Zum Vorlesen oder Nacherzählen:
Erst nur eine düstere Ahnung am Horizont, ziehen in kürzester Zeit schwarze Wolken auf. Blitze durchzucken jäh die Finsternis und unheilvoll dröhnt der Donner. Sintflutartiger eisiger Regen, in den sich Hagelkörner mischen, ergießt sich aus den Himmelsschleusen und wütende Sturmböen wühlen die graue See auf, bis sich die Wellen haushoch auftürmen. Mannschaft und Passagiere haben alle Hände voll zu tun, um das stampfende und rollende Gefährt vor dem Kentern zu bewahren. Es bleibt nicht die Zeit, alle Segel zu bergen. Was nicht rechtzeitig gesichert werden konnte, wird in Fetzen gerissen oder bringt das Schiff in Bedrängnis, als eine Böe in das Segel fährt und das Schiff bedenklich zur Seite drückt, bevor es den Matrosen gelingt, das Tauwerk zu kappen. Jorge bezahlt seinen Einsatz mit dem Leben, als der herumfliegende schwere Tampen ihn von den Beinen fegt und er über Bord geht. Wieder und wieder gehen schwere Brecher über das Deck hinweg und drohen alles mit sich zu reißen. Stunde um Stunde tobt der Sturm, als wolle er niemals mehr ein Ende nehmen. Das Brausen des Windes überdeckt jedes andere Geräusch. Längst schon zählt nicht mehr der Kurs, den man halten will, sondern der Weg des geringsten Widerstandes, damit das Schiff nicht zwischen den Wogen zermalmt wird.
An Bord wird jede Hand gebraucht. Segel sind zu bergen, Taue festzuzurren. Ladung, die sich losgerissen hat, muss gesichert werden und eingedrungenes Wasser hinausgeschöpft. Immer wieder löst sich ein sicher geglaubter Tampen, herumfliegende Gegenstände sind eine nicht zu unterschätzende Gefahr und ganz nebenbei ist es kein Kinderspiel, auf dem schwankenden Schiff nicht den Halt zu verlieren. Kälte und Seewasser machen die Glieder taub, die Kleidung ist mehr ein Hindernis als ein Schutz. Fordern Sie den Helden Proben auf Körperbeherrschung oder Athletik ab, die Sie um bis zu 3 Punkte erschweren können. Setzen Sie den Helden gehörig zu: Sie sollen um ihr Leben bangen, das allein daran hängt, dass die brüchige Nussschale, auf der sie auf Swafnirs Ozean reiten, weder birst noch kentert. Sie müssen auch nicht vor Verletzungen oder gar Brüchen zurückschrecken, die Helden bekommen Gelegenheit, diese auszukurieren. Zudem wird es Ihnen weit leichter gelingen, die folgende Szene auszugestalten, wenn Ihre Helden sich am Rande der Erschöpfung befinden.
Die Situation spitzt sich zu, als ein Stag, das den Mast stützt, nicht länger standhält und mit einem lauten Knall birst. Seines Halts beraubt, bricht der Mast in zwei Schritt Höhe und stürzt über die Bordwand, so dass die Brennawyn Schlagseite bekommt. Es gilt so schnell wie möglich den Mast zu kappen, um dem sicheren Untergang zu entgehen.
Zum Vorlesen oder Nacherzählen:
Fieberhaft hackt ihr auf das Tauwerk des geborstenen Mastes ein, der das Schiff zum Kentern zu bringen droht. Vergessen sind Kälte und Regen. Im letzten Moment gelingt es euch, das Rigg zu kappen, bevor der nächste schwere Brecher den sicheren Untergang besiegelt. Mit einem plötzlichen Ruck richtet sich die Brennawyn ächzend wieder auf. Die Erleichterung auf den Gesichtern der Mannschaft ist riesengroß. Die Bootsfrau Jelvira deutet zum Himmel: Tatsächlich, es scheint, als sei Swafnir euch hold, die düsteren Wolken reißen hier und da auf, der Sturm scheint allmählich abzuflauen. Ihr scheint das Schlimmste überstanden zu haben.
Lassen Sie den Helden und der Mannschaft einen Augenblick Verschnaufpause. Sie sollen den kurzen Moment der Erleichterung gebührend auskosten. Dennoch haben sie sich zu früh gefreut. Plötzlich packt eine unerwartete Strömung das Schiff und reißt es jäh vorwärts. Nicht allen gelingt es, sich auf den Beinen zu halten (Körperbeherrschungs-Probe). Rhuffyd, dem Steuermann, gelingt es nicht, sich festzuhalten. Hilflos rutscht er über das nasse Deck und stürzt über die Reling.
Viel zu schnell treibt das Schiff weiter, so dass jeder Rettungsversuch vergeblich bleibt. Verzweifelt kämpft die Mannschaft darum, das Schiff wieder unter Kontrolle zu bekommen und einen Notmast zu errichten, damit ein kleines Sturmsegel dem Schiff wieder Stabilität geben kann. Doch unerwartet gibt es einen heftigen Ruck und ein grässliches Knirschen und Krachen ertönt. Die Planken des Schiffs beben, bäumen sich auf und bersten schließlich mit einem unheilvollen Krachen.
Das Schiff ist auf ein Riff aufgelaufen, dessen messerscharfe Felsen wenige Handbreit unter der Wasseroberfläche aufragen. Bei besserem Wetter hätten Brandungswellen das Hindernis verraten, in der aufgewühlten See war davon nichts zu sehen, und selbst wenn, wäre das Schiff ohne Mast und Sturmsegel kaum manövrierfähig gewesen. Die Brecher schlagen das Schiff, das hilflos auf den Felsen festsitzt, langsam in Stücke. Einzelne Wrackteile werden abgetrieben oder gehen unter, der Rumpf versinkt nur deshalb nicht ganz, weil er noch an den Klippen hängt.
Die Helden müssen sich an die Reste des Wracks klammern, ohne Hoffnung auf baldige Rettung. Das kalte Wasser, das sich beruhigt, sorgt gleichwohl für weitere Erschöpfung.
Es bleibt Ihnen überlassen, was die Helden von Ihrer Ausrüstung retten können. Thures Harfe taucht, sofern nicht ohnedies einer der Helden sich darum bemüht hat, aus den Fluten auf und treibt unweit auf dem Meer. Das Instrument hat nicht einen Kratzer abbekommen, klingt aber abscheulich, geradezu wütend, falls einer der Helden sie anschlägt. Von der Schiffsbesatzung überleben höchstens ein oder zwei Personen.
Einen Magier zu bezähmen
Sollte ein Olporter Magier oder ein anderer Zauberkundiger mit entsprechenden Kenntnissen zu Ihrer Runde gehören, liegt es nahe, dass dieser die Elemente bemüht, um entweder den Untergang des Schiffes zu vereiteln oder aber die Helden nach dem Schiffbruch zu retten. Während ein Sturm dieser Gewalt höchstens von einem ganzen Zirkel von Elementaristen zu besänftigen ist, könnte ein Magus dennoch den weiteren Lauf der Dinge gehörig in Unordnung bringen. Es ist für den Verlauf der Handlung jedoch unerlässlich, dass die Gruppe von den Neuhjaldingarder Handelsfahrern (siehe unten) aus dem Wasser gefischt wird. Sollte der Magier noch über genügend Kräfte verfügen, um Ihnen einen Strich durch die Rechnung machen zu können, bleibt leider kein anderer Weg, als ihn außer Gefecht zu setzen. Er stürzt beispielsweise so unglücklich, als das Schiff auf das Riff läuft, dass er das Bewusstsein verliert. Die Kopfverletzung sorgt dafür, dass er nicht Herr seiner Sinne ist, bis man sicher auf dem Gulbladdirstadir (siehe unten) eingelaufen ist.
Nebellichter
Obwohl das schlimmste Toben des Sturmes vorbei ist, peinigt die Schiffbrüchigen noch stundenlang heftiger Regen und eisiger Wind. Das Unwetter weicht einem dichten, trüben Nebel, der sich schwer über die graue See legt. Vermutlich werden sich die Helden und die überlebenden Mannschaftsmitglieder darum bemühen, einen Ausweg aus ihrem Dilemma zu finden. Das gestaltet sich nicht eben einfach: Alle sind entkräftet und verwundet, die Umstände sind widrig. Sollten die Helden geschickt vorgehen, kann es ihnen gelingen, sich ein provisorisches Gefährt mit einem improvisierten Ruder oder gar Segel zusammenzuzimmern. Ganz gleich, ob die Gefährten auf dem Wrack ausharren oder ihr Glück auf einem Floß versuchen, geschieht nach einer Weile Folgendes: Durch den dichten Nebel ist ein großer, dunkler Schatten zu erkennen. Man vernimmt gleichmäßiges Platschen und Knarren - ein Ruderschiff gleitet in nicht allzu großer Entfernung vorbei. Durch Rufe kann man die Mannschaft auf sich aufmerksam machen. Sollten die Helden zögern, wird zumindest einer der Matrosen rufen. Die Helden vernehmen eine undeutliche Antwort, dann dreht das schattenhafte Gefährt bei und nimmt Kurs auf sie. Aus dem Nebel taucht ein Snekkar auf - die Rettung?
Vom Regen in die Traufe?
»Drei Jahre diente ich Eirik Hellauge,
Der mich auf meiner ersten Fahrt gefangen nahm.
Ich diente ihm treu, obwohl ich ihn nicht liebte.
Er ehrte mich für meine Treue und gab mir seinen Bruder zum Mann.«
-aus der Saga von Friedheldis Sigurdsdottir
Die Helden werden nun gefangen genommen und zu Knechten gemacht. Zwar ist die Knechtschaft nur bedingt mit der Versklavung durch alanfanische Sklavenjäger zu vergleichen, dennoch lehrt die Erfahrung, dass längst nicht alle Spieler Spaß daran haben, sich für eine Weile als Unfreier zu behaupten und Aventurien von ganz unten' zu erleben. Aus diesem Grund bieten wir Ihnen einen alternativen Handlungsstrang an, der dieses Problem umgeht. Wählen Sie den für Ihre Heldengruppe geeigneteren Weg aus.
Thorwalsche Handelsfahrer
Die Helden erwartet eine unangenehme Überraschung: Die vermeintlichen Retter sind keine. Es handelt sich um Neuhjaldingarder Seefahrer auf der letzten Herferd (Raubzug) in diesem Jahr. Der Sturm hat ihr Schiff ebenfalls vom Kurs abgebracht und beschädigt. Man fürchtete schon, ohne Beute zu bleiben. Doch nun hat Swafnir ihnen einen ansehnlichen Brocken geradewegs vor den Bug getrieben.
Sie sollten den Ablauf der Gefangennahme vom Verhalten der Helden abhängig machen. Setzen sie sich nicht zur Wehr - die Matrosen machen keine Anstalten – sehen die Neuhjaldingarder keinen Grund, sie grob zu behandeln. Lassen Sie die Helden im Ungewissen, ob die Begegnung nun ihre Rettung bedeutet oder ob ein missgünstiges Schicksal sie vom Regen in die Traufe gebracht hat.
Einer nach dem anderen wird an Bord des Snekkar gehievt. Dabei mustern die Thorwaler die Fremden eingehend - in der Art, wie man Vieh taxiert. Ein albernischer Matrose, der im Wüten des Sturmes sein Bein eingebüßt hat und kaum noch Lebenszeichen zeigt, wird ohne viel Federlesen ins Meer geworfen, sein sicherer Tod. Auf Interventionen der Helden reagieren die fremden Seefahrer voller Unverständnis.
Die Seeleute sprechen Thorwalsch mit einem merkwürdigen Dialekt, selbst ein Thorwaler hat Mühe, die Männer und Frauen zu verstehen, und er kennt längst nicht alle Worte, die sie benutzen. Rasch bringen die Seeleute alles, was von Wert zu sein scheint, an Bord ihres Schiffes. Die Helden beschleicht der Eindruck, selbst ein Teil der Beute zu sein. Thures Harfe erkennen die Neuhjaldingarder sofort als wertvolles und einzigartiges Stück. Doch sowohl aus Aberglauben als auch aus Respekt vor dem mystischen Gegenstand beanspruchen sie die Harfe nicht als Beute, sondern überlassen sie dem Träger, den die Harfe erwählt hat. Sie können aus dieser Entscheidung eine ähnliche Szene gestalten wie in der Runajasko in Olport.
Sollten die Helden Anstalten machen, sich zur Wehr zu setzen, verschnürt man sie sorgfältig und setzt sie nötigenfalls auch mit einer beruhigenden Kopfnuss für eine Weile außer Gefecht. Es ist jetzt recht einfach, die erschöpften Schiffbrüchigen zu überwältigen, zumal diese kaum eine andere Wahl haben, wollen sie nicht erfrieren.
Trygdar - der Snekkar vom Gulbladdirstadir
Die Beschreibung eines Snekkar finden Sie in Westwind 115. Mit ihren 17 Schritt Länge ist die Trygdar ein kleiner Snekkar und kommt mit zwölf Ruderern aus. Als die Trygdar auf die Helden trifft, ist sie mit vierzehn Leuten bemannt.
Ziel des Schiffes ist der Gulbladdirstadir an der Vaenibugten, östlich von Gjalskermund.
Anders als die meisten Bewohner Nordthorwals zeigen sich die Neuhjaldingarder gegenüber Fremdlingen verschlossen. Zwar hört man auch hier am Feuer gerne eine gute Geschichte aus fremden Landen, allerdings hat sich - resultierend aus der Geschichte dieser Siedler - die Überzeugung verfestigt, dass aus der Fremde wenig Gutes kommt. Die thorwalschen Brüder aus dem Süden wollen die eigenen Gesetze der Neuhjaldingarder nicht gelten lassen und versagen ihnen ihr angestammtes Recht auf Raubzüge und Geiselnahme. Dass aus den Regionen südlich von Thorwal erst recht wenig Gutes kommen kann, weiß man seit der Zeit der Priesterkaiser. Für einen Neuhjaldingarder zählen mehr noch als für einen gewöhnlichen Thorwaler Sippenbande. Ihre Freundschaft gewinnt man am einfachsten, indem man sich als Freund der Sippe erweist – durch gute Dienste, Loyalität und Opferbereitschaft.
Knechte!
Die Neuhjaldingarder gehören zu den Thorwalern, die nicht davor zurückschrecken, Geiseln zu nehmen. Gefangene, die ihnen bei einem Überfall oder Gefecht in die Hände gefallen sind, werden als Treller gehalten, die ihnen so lange zu Diensten sein müssen, bis ihre Verwandten sie gegen ein Lösegeld auslösen, wenn sie es denn können und wollen, oder aber für Jahr und Tag, wenn das Lösegeld nicht gezahlt wird (Westwind 73). Das geschieht vor allem aus der Grundüberzeugung, dass die Arbeitskraft eines Gefangenen für diese Spanne dem Sieger von Rechts wegen als Teil seiner Beute zusteht - die Arbeitskraft, wohlgemerkt, nicht sein Leib und Leben, wie man es aus Al'Anfa kennt. Insofern ist der Umgang mit der Knechtschaft auch ein freimütigerer: Sie ist nichts Ehrenrühriges; ein ehemaliger Treller wird für seinen Dienst nicht schief angesehen – was nicht heißen soll, dass der Stolz manches Heißsporns nicht dennoch empfindlich darunter gelitten hat, nach der Schmach der Niederlage auch noch die Knechtschaft zu ertragen.
Nachdem sie wieder leidlich zu Kräften gekommen sind, müssen die Helden (und die überlebenden Seeleute) auf dem Hof als Knechte arbeiten. Sie versorgen das Vieh, kehren die Stube aus, holen Wasser, machen Feuer und verrichten ähnliche einfache Dienste. Des Abends sitzen alle im Langhaus beisammen und gehen Arbeiten wie dem Weben, Spinnen und Schnitzen nach. Sofern einer der Helden beispielsweise in einem Handwerk begabt ist, nimmt die Sippe seine Dienste gerne an. Einzig magische Künste sind nicht wohl gelitten. Die Neuhjaldingarder versuchen herauszubekommen, ob man für einen der Gefangenen Lösegeld bekommen kann. Falls ja, will man im Frühjahr das Schiff aussenden, doch bis dahin heißt es, mit anzupacken. Alles in allem ist die Behandlung weit besser als die eines Sklaven. Man braucht die Arbeitskraft der Geiseln und hat nicht etwa Spaß daran, sie zu demütigen. Dennoch wird grobes Fehlverhalten freilich - auch derb - bestraft. Achten Sie hier jedoch unbedingt auf Augenmaß! Allerdings gilt das Wort der Helden nicht viel, zumal wenn es sich nicht um Thorwaler handelt, und sie sind nicht frei, den Hof zu verlassen. Die Helden können mit ihren individuellen Fertigkeiten ihre Nützlichkeit für die Gemeinschaft unter Beweis stellen und ihr Ansehen rasch erhöhen (beispielsweise beim Jagen). Ganz anders sieht es aus, wenn sich einer von ihnen der Gemeinschaft wiederholt verweigert - da verstehen die Neuhjaldingarder keinen Spaß. Wer nicht bereit ist, sich für die Gemeinschaft einzusetzen - und sei es auch eine Zwangsgemeinschaft, darf seinerseits nicht auf den Beistand der Sippe, auf ein warmes Quartier, Nahrung und Schutz hoffen. Im allerschlimmsten Fall wird ein ganz Verbohrter - beispielsweise jemand, der ein Sippenmitglied angreift und schwer verletzt - kurzerhand vom Hof gejagt und seinem Schicksal überlassen. Ihnen bleibt selbstverständlich die Option, dass die Hofbewohner den erschöpften Helden nach einiger Zeit wieder aufgreifen, mit dem Hinweis, dass dies die letzte Warnung war.
Im Laufe der nächsten Wochen werden die Helden mehr und mehr in die Sippe integriert, ohne dass sich an ihrem Status etwas ändert. Es ist beispielsweise nichts Ungewöhnliches, wenn sich eine der jungen Frauen oder Männer mit einem der möglicherweise exotischen Gäste einlässt.
Gefangene der Umstände
Wenn Sie Ihren Helden die Knechtschaft nicht zumuten wollen, nehmen die Neuhjaldingarder die Schiffbrüchigen (Helden und Seeleute) an Bord und bringen sie auf ihren Hof. Sie sind nicht bereit, einen anderen Kurs einzuschlagen, da ihr Schiff beschädigt ist und sie einen neuerlichen Sturm fürchten. Mit den überlebenden Seeleuten und der Beute wird wie oben beschrieben verfahren. Ob die Neuhjaldingarder auch das Eigentum der Helden - als Gegenleistung für die Rettung - beanspruchen, bleibt Ihnen überlassen. Den verletzten Helden wird erst einmal nichts anderes übrig bleiben, als die Gastfreundschaft der Sippe in Anspruch zu nehmen und sich auszukurieren. Kurze Zeit später setzt heftiger Schneefall ein. Die Helden sind gefangen.
Die Gulbladdirer lehnen es ab, den Helden Ausrüstung für die Reise im Schnee zu überlassen, denn Robbenfellkleidung, Schneeschuhe und Skier sind ein kostbares Gut im hohen Norden, an dem man keinen Überschuss hat. Wohl ist man bereit, den Helden gegen ein gutes Tauschobjekt Robbenfelle und aus Tierdärmen gedrehtes Garn zu überlassen. Auch zeigt man ihnen, wie man daraus schneefeste Kleidung macht, oder unterweist sie darin, wie man Schneeschuhe flicht. Geld allerdings ist in der Regel kein besonders begehrtes Gut hier oben. Um einen der Bewohner dazu zu bringen, beispielsweise einen Satz Kleidung herzustellen, braucht es schon eines ganz besonders außergewöhnlichen Geschenks. Ein Spielermagier sollte sich davor hüten, seine Kunst einzusetzen, um sich jemanden zu Willen zu machen. Die Chance, dass jemand dahinter kommt, ist hoch: "Wieso sollte Thorhild dir einen Mantel nur aus Freundlichkeit nähen und ihre Kinder weinen oder ihre Arbeit liegen lassen?"
Die abergläubischen und Magie gegenüber zutiefst skeptischen Neuhjaldingarder könnten auf den Gedanken kommen, sich eines solchen Verräters an der Gemeinschaft auf elegantem Wege zu entledigen - beispielsweise bei einem Jagdausflug. Und allein in der eisigen Wildnis reicht ein BANNBALADIN in der Regel nicht aus, um zu überleben.
Für die Dauer ihres Aufenthaltes erwartet man, dass die Helden sich an den anfallenden Arbeiten beteiligen. Ein geschickter Handwerker wird sich schnell die Achtung der Sippenmitglieder verdienen, während anderen nur einfache und vergleichsweise unangenehme Arbeiten übrig bleiben. Sollten die Helden sich auf den Weg machen wollen, müssen sie das auf eigene Faust tun: Freiwillig zeigt sich keiner der Gulbladdirer bereit, sie zu führen.