Müßig schreitet eine Kauffrau in einem fuchsverbrämten Kleid aus Wolle, dessen üppiger Faltenwurf verrät, dass die Dame nicht sparen muss, mit ihrer Magd über den Markt. Das Mädchen hält mit großen Augen Maulaffen feil, muss wohl eine aus der Provinz sein. Bautz, hat sie eine Schelle von ihrer Herrin bekommen, die sie gleich zweimal ermahnen musste, ein gekauftes Stück Fleisch aus der Hand des Fleischhauers anzunehmen und in den Korb zu packen, den sie für ihre Herrin trägt. Schon stellt sich ein kleines Hündchen mit spitzen Ohren und Ringelschwanz auf die Hinterbeine und dreht sich lustig im Kreis, die braunen Augen fest auf das Stück Fleisch gerichtet, die Zunge hängt ihm geifernd aus dem Hals. Das Mädchen lacht, doch das bringt ihr die zweite Ohrfeige ein, wütend zerrt ihre Herrin sie am Arm von dannen. Der Metzger zuckt die Achseln und wirft dem Hündchen ein Stück Innereien zu, den das Vieh aus der Luft aufschnappt. Dann ist es auch schon von dannen. Hund müsste man sein und tanzen können, dann ginge es einem manches mal besser…
—aus den Erzählungen des Spielmanns Lutger von Honingen, 990 BF
Der Marktplatz ist das merkantile Herz der Stadt. Alltags reihen sich die Stände dort dicht an dicht, bieten Kaufleute, Krämer und Tändler, Gemüsehändler, Brauer, Bauern und Metzger ihre Waren im Schatten der imposanten Bürgerhäuser feil. Bedienstete stehen schwatzend am Marktbrunnen, die Körbe mit Besorgungen achtlos neben sich gestellt.
Zwei Gebäude dominieren den Marktplatz, zum einen die prachtvolle Tempelhalle des Phex, erbaut durch die reichen Spenden der Bürger; nicht minder imposant die benachbarte Markthalle, ein Bau mit Arkaden und Galerie: gleichsam zwei Stätten, an denen dem Wohlstand auf ganz eigene Weise gehuldigt wird. Dagegen wirkt das alte Rathaus, in dem seit einigen Jahren das Gericht untergebracht ist, geradezu bescheiden. In der Nachbarschaft von Kontoren, wie dem der Ingstroks, und figurenverzierten Bürgerhäusern findet sich die Gildenhalle der Fernhändler, ein weitläufiger, rotverputzter Steinbau, der die Gildenstube (Q 10, P 10, erlesene Küche, exquisiter Weinkeller) (19), ein der Gilde und ihren Gästen vorbehaltenes Lokal, und einen Festsaal beherbergt.
Nicht nur Kaufleute, auch Handwerker prägen das Bild. Allerdings sind es keine Grobschmiede, Metzger und Flickschneider, die hier ihre Wohn- und Werkstatt haben, sondern die nobleren Vertreter der ingerimmschen Künste: Perlmuttschleifer und -schneider, Handschuhmacher, Kürschner und Apotheker, Putz- und Gewandmacher und anderes edle Handwerk.
Weite Teile des Viertels sind gepflastert, selbst der Marktplatz ist mit Steinen ausgelegt, nicht jedoch die Gassen in Ufernähe und an der Mauer.
Rathaus (15)
Es mag den Reisenden verwundern, dass das Rathaus Rivas nicht etwa am Marktplatz, sondern relativ fernab, am Ufer des Kvill zu finden ist. Jedoch entfachte sich vor zwanzig Jahren, als das alte Rathaus zu eng geworden war, und man ein neues bauen wollte, ein denkwürdiger Streit, der letztendlich dazu führte, dass Rivas bedeutendstes öffentliches Gebäude, der Sitz der Stadtregierung und Amtssitz des Bürgermeisters, sich nunmehr in jenem zweistöckigen Backsteinbau am Ratsplatz befindet.
Im Rathaus tagt nicht allein der Rat, hier sind auch die Schreibstuben der Magistratsgehilfen und Schreiber untergebracht sowie die Kanzleien der diversen Beamteten, wie der Marktvogt, der Steuervogt oder der Wehrvogt. Diese Ämter werden in der Regel von Mitgliedern des Rates übernommen. Im ersten Stockwerk, das man über eine kunstvoll verzierte, breite Holztreppe erreicht, findet sich der prächtige Ratssaal mit seinen Schnitzereien und Malereien. Eine Besonderheit sind die schön bemalten Glasfenster, die Szenen aus der Geschichte der Stadt zeigen. Eine schmale Pforte führt auf einen breiten Balkon über den Arkaden, wo die neuesten Beschlüsse verkündet werden. Im obersten Stockwerk findet sich das Stadtarchiv, in dem unter anderem die Rats- und Gerichtsbeschlüsse, Urkunden über den Grundbesitz der Rivaner, Steuerlisten sowie die Chronik der Stadt aufbewahrt werden. Der Steuerschatz der Stadt wird allerdings in der Burg von eigens dafür bestallten Schatzgardisten gehütet, nicht nur, weil dies der sicherste Bau der Stadt ist, sondern auch, weil das neue Rathaus ob des feuchten Baugrunds keinen tiefen Keller hat.
Das steile Ziegeldach wird von einem Türmchen gekrönt, von dem aus man nicht nur einen guten Blick über die Stadt hat, hier befindet sich auch die Sturmglocke, mit der bei Bedarf Alarm gegeben wird. Vor dem Rathaus bieten schattige Arkaden Raum für Geschäfte und Verhandlungen, selbst einige Zünfte treffen sich im Sommer hier zur Besprechung. Marketender bieten hier ihre Waren feil, denn die Standgebühren sind günstiger als auf dem besser frequentierten Markt. Im Erdgeschoss findet sich der Ratskeller, ein gediegenes Speiselokal, das allerdings an Ratstagen allein dem Rat vorbehalten ist.
Auch die Rivaner Maße (Elle, Doppelelle, Fuß und Spann) sind an der Seitenwand des Rathauses angebracht, sehr zum Ärger der Marktleute und Marktwachen, die sich im Streitfall mit ihrer Ware vom Markt zum Rathaus aufmachen müssen, um zu überprüfen, ob richtig Maß genommen worden ist. Auf den Wunsch, die Maße auch am alten Gericht auszustellen, wollte sich der Rat jedoch nicht einlassen, stur beharrt man auf diesem Vorrecht.
Rupert-Knorre-Brunnen und Pranger(16)
Die Ehre, die man dem Namensgeber des Brunnens zuteil werden ließ, ist durchaus zweifelhafter Natur: Rupert Knorre war ein Rivaner Brauer, dessen Bier, wässrig, fad und manchmal sauer war. Als Strafe hieß man ihn, einen Brunnen zu stiften, in dem man ihn künftig taufen wolle, wenn er nicht besseres Handwerk abliefere. Knorre besann sich. Nicht ein einziges Mal musste man die Schandstrafe gegen ihn verhängen. Seitdem aber werden im Brunnenbecken all jene Handwerker untergetaucht und dem Spott der Mitbürger preisgegeben, die schlampig arbeiten und gegen die gute Ordnung verstoßen.
Vor einigen Jahren hat man hier zudem einen Pranger mit Schandkäfig errichtet, um auch andere Leibstrafen zu vollziehen. Besonders notorische Missetäter taucht man in einem Käfig im Kvill unter – erst jüngst hat man dabei einen Bäcker versehentlich ersäuft, der Sägemehl in sein Brot gemischt hatte.
Markthalle (17)
Fast zwanzig Schritt ragt die eindrucksvolle Markthalle empor, ein Monument des Handels und Stolz der Rivaner Kaufmannschaft. Staunend wandert das Auge des Reisenden zur aufwändig bemalten Holzdecke, die sich hoch oben frei über der Halle wölbt.
Zwischen den großzügig angelegten Reihen der Verkaufsbänke und Stände herrscht immer Trubel und Gewühl, von morgens bis abends pflegt der Strom der Interessenten nicht abzureißen. Des Nachts bleiben die Pforten verschlossen, eine eigene Wache sorgt dafür, dass die wertvollen Waren nicht unvermutet Beine bekommen. Die Verkaufsstände in der Halle zu pachten, kostet gutes Silber, das sich nur solche leisten können, die hochwertige und gesuchte Waren feilbieten. Die Stände entlang der Mauern sind den mächtigsten Händlern vorbehalten, Kontore wie das der Rastburger haben hier auf Lebenszeit große Stände gepachtet, die mit ihren Holzwänden und Vorhängen, die sie von der restlichen Halle scheiden, und ihren bequemen Wartesalons den Kunden besonderen Komfort bieten.
Im Inneren führen mehrere Galerien rings um die große Halle. An den Ständen dort finden sich nicht nur weitere Händler, sondern auch einen Apothecarius, einen Zahnreißer, einen Portraitmaler, einen Sterndeuter und viele andere, die ihre Dienste feilbieten.
Zu finden ist hier alles, was gut, selten und oft auch teuer ist. Aus dem ganzen Norden kommen die Menschen, um nach seltenen und exklusiven Waren Ausschau zu halten, und meistens werden sie nicht enttäuscht. Hier bekommt man Dinge, die man anderswo in der Region vergeblich sucht, eine Tatsache, die sich die Rivaner in Silber aufwiegen lassen. Nur wen nach langem Einkaufsbummel Hunger und Durst plagen, wird hier enttäuscht werden: Es ist bei Strafe verboten, in der Halle zu speisen oder ein Getränk zu sich zu nehmen. Wer es dennoch tut, muss mit Stockhieben oder dem Pranger rechnen.
Gericht (18)
Der grün verputzte, türmchengeschmückte Bau am Marktplatz beherbergte einst den Rat. Hatten die Gerichtsverhandlungen bereits zuvor hier stattgefunden, konnten nun auch Richter und Gerichtsdiener einziehen, ebenso wie das Archiv mit den Gerichtsbüchern, in denen minutiös alle Urteile und Strafen niedergelegt sind. Eine Kopie dieser Bücher findet sich auch im Ratsarchiv.
Das öffentliche Gericht wird in der Gerichtslaube im Erdgeschoss abgehalten.
Weil sich die Ratsprotokolle, und damit die Rivaner Rechtssammlung, im neuen Rathaus befinden, verzichtet man nicht selten, den genauen Wortlaut zu überprüfen und urteilt statt dessen nach dem Gedächtnis.
Gyldfuchs-Halle – Phex-Tempel (3)
Der alte Phex-Tempel Rivas brannte im Jahr 989 BF unter ungeklärten Umständen bis auf die Grundmauern ab. Es war in einer phexgefälligen und wohlhabenden Stadt wie Riva keine Überraschung, dass es nicht lange währte, bis man mit einem neuen Bau begann, wohl aber, dass es der Geweihtenschaft erstaunlich leicht gelang, dafür ein Stück Grund gleich am begehrten Marktplatz zu erheischen. Die Gyldfuchs-Halle (2 Geweihte, 2 Füchschen) ist ein imposantes, dreistöckiges Gebäude aus roten Ziegeln, dessen hoher Spitzgiebel von einem erhabenen Fuchsrelief geziert wird. Phex wird in der Handelsstadt in hohen Ehren gehalten, und darf sein schlaues Antlitz offen zeigen.
Die große Andachtshalle erstreckt sich über zwei Stockwerke. Mit ihrer gediegenen Holzvertäfelung, dem hohen Tonnengewölbe und den prachtvollen Malereien, die sowohl phexisches Leben wie Szenen aus der Stadtgeschichte zeigen, mutet die Halle wie die Versammlungshalle einer reichen Zunft oder ein Ratssaal an, wäre da nicht in der Mitte die goldene mannsgroße Statue eines laufenden Fuchses, der einen geschlagenen Vogel im Fang hält. Es geht in der Bethalle nicht ruhiger zu, als in den angrenzenden Markthallen: Kaufleute verhandeln über Verträge und Preise, lassen sich von Phex-Geweihten beraten oder geraten mit ihnen selbst in Feilschereien. Davon unbeeindruckt bringen Gläubige Phex ihre Gaben dar. Zahlreiche Nischen und Gelasse stehen bereit, um ungestört Geschäften nachgehen zu können oder sich in stiller Andacht an Phex zu wenden.
In Riva beten auch die Handwerker zu Phex als Patron eines ehrbaren und erfolgreichen Handwerks, allerdings verschlägt es sie nur selten in den Tempel, statt dessen kommt einer der Phex-Geweihten einmal in der Woche zu ihnen, um mit ihnen in der Schenke Am Nurlabach im Gewerkehoop die Andacht zu feiern.
Im Rivaner Tempel. So hieß es immer, wird hart, aber ehrenhaft verhandelt. Das hat sich in jüngster Zeit gewandelt. Heutzutage will das Gerede nicht verstummen, dass dort auch manch abgefeimte Gaunerei geplant wird.
Vogtvikarin Andela Gris (ca. 40 Jahre, klein, sehnig, Allerweltsgesicht, halblanges braunes Haar, anpassungsfähig und zielstrebig, Sprachfehler), verwahrt sich entschieden gegen diese Gerüchte. Allerdings gilt die gebürtige Andergasterin als nicht besonders intelligent und kaum in der Lage, etwaigen Umtrieben ein Ende zu bereiten (siehe auch Seite 171). Ihr steht Dietrun Schattenmaid (Alter schwer bestimmbar, rundlich und klein, sanfte Stimme, charismatisch, bauernschlau, flinke Finger) zur Seite, ein Mondschatten mit Verbindungen in ganz Nordaventurien.
Kontor Kolenbrander (20)
Gemeinsam mit dem Uhdenberger Minenkonsortium engagiert sich das Kolenbrander-Kontor vor allem im Minenbau. Kontorleiter ist Heldar Birkenau, ein Weidener Ende Vierzig, der sich seinen Herrn, Gorge Kolenbrander, offensichtlich auch in Bezug auf seine Leibesfülle zum Vorbild genommen hat. Birkenau leitet das Kontor seit 1011 BF und gilt als ehrenhafter, ehrlicher Kaufmann. Das Kontor ist in einem Steinhaus unweit des Rondratores untergebracht.
Das Kontor betreibt eine Kohlengrube östlich des Nachbarortes Ulva. Kolenbranders besonderes Bemühen gilt der Suche nach Schwarzstahl, von dem es Gerüchten zufolge insbesondere im ewigen Eis Vorkommen geben soll (siehe Firun 48). Eine fixe Idee, wie viele seiner Konkurrenten denken, die das Kontor zu ihrem Glück davon abhält, sich anderweitig zu engagieren. Schwarzstahl haben Kolenbranders Prospektoren und Kundschafter noch nicht gefunden, aber wenigstens in den Hügeln südlich von Tavaljuk Kupfer (173 A).
Birkenau ist nicht auf einen schnellen Dukaten aus, sondern vor allem an langfristigen Projekten interessiert. Die vielen Schatzsucher und Glücksritter sind dem Kontorleiter ein Dorn im Auge, denn sie nehmen keine Rücksicht auf tradierte Sitten und Absprachen, treiben bedenkenlosen Raubbau und bringen so nicht nur die Nivesen gegen sich auf. Dennoch hält er sich aus den Streitigkeiten heraus, solange sie ihn nicht unmittelbar betreffen, denn er kann weder Geld noch Leute darauf verschwenden, nicht zuletzt, weil sein Herr dafür auch keinerlei Verständnis hätte. Der strikt gewahrten Neutralität zum Trotz (siehe Seite 172) ist Heldars wahre Gesinnung ein offenes Geheimnis, wenn man sich vor Augen führt, dass er keine Geschäfte mit den Kontoren macht, die Handwerker in Schuldknechtschaft gebracht haben. Er verhandelt ausschließlich mit den wenigen freien Handwerkern, auch wenn diese höhere Preise verlangen.
Schenke Zum fröhlichen Spitzohr (21)
Der Elf Eraion Schattenlauf ist ein Kuriosum, so wie seine Schenke. Zwar kann er seine elfische Abkunft schwerlich verleugnen, doch ist das Spitzohr ein wunderlicher Vertreter seiner Art. Nach einem Unfall, bei dem er jegliche Erinnerung an sein vorheriges Leben verlor, nahmen traviagefällige Rivaner Bürger sich des Hilflosen an. Er lernte die menschlichen Sitten kennen und zeigte sich gar den Lehren Travias aufgeschlossen. Besonderen Gefallen fand er an der Gastfreundschaft, wie sie die Menschen pflegen. Mit Unterstützung des Tempels eröffnete der Elf schließlich eine Schenke, denn er liebt es, unter wohlgelaunten Menschen zu sein. Die Wirtschaft ist stets gut besucht, denn bei Eraion, der selbst gerne über alles und jeden lacht, und dabei auch sich selbst nicht ausnimmt, geht es immer lustig zu. Versuche von Elfen, ihn wieder aus der Stadt zu holen, weist er schroff zurück.
Wer Elfen kennt, dem bleibt nicht verborgen, wie sehr sich Eraion von seiner Art entfernt hat. Sein Geist ist getrübt, an die elfischen Sitten und Traditionen erinnert er sich nicht mehr, und auch seine Magie ist ihm fremd geworden. Lediglich wenn er betrunken ist, was nicht selten vorkommt, überkommt ihn plötzlich eine übermütige Freude an der Zauberei: Er unterhält seine Gäste dann mit einem FLIMFLAM oder lässt mittels VISIBILI seine Kleider in gespenstischer Weise durch den Raum schweben. Glücklicherweise ist ihm bisher kein FULMINICTUS herausgerutscht…