Die Schiffe, die auf der Route Enqui-Olport-Thorwal unterwegs sind, kennen und schätzen das Örtchen zwischen den hohen, weit ins Meer ragenden Felsen, die von einem ankommenden Schiff wie die Flügel eines Schwans aussehen.
Der rechte Flügel wird Swafnirsflügel geheißen, denn auf seiner Kuppe befindet sich ein gar prächtiger Swafnir— Schrein, der linke Flügel trägt den Namen Ifirnsflügel, denn hier gibt es ein der Ifirn geweihtes Heiligtum mitsamt einem kleinen Betplatz für die Anhänger des grimmen Firun und seiner holden Tochter, denn der eisige Winter wird im Gjalskerland gefürchtet und doch verehrt, und die Bewohner Ifirnshavns verdienen sich ihren Lebensunterhalt durch die Jagd. Die Pelze dieser Tiere sind es, die aus dem ehemaligen Fischerdorf einen Umschlagplatz für Rauchwaren aller Art gemacht haben: Gjalskerwiesel und Eisnerz sind begehrte Handelsgüter.
Doch in Ifirnshavn gibt es nicht nur Jäger. Zwar gedeiht auf dem kargen Boden kaum etwas, doch die Gewässer im Inland und das weite Meer sind von zahlreichen Fischarten bevölkert, und nicht wenige Ifirnshavner sind das, was schon ihre Vorfahren und deren Vorfahren waren… nämlich Fischer. Überhaupt sind die Männer und Frauen von Ifirnshavn ein ganz besonderer Menschenschlag; eine Mischung aus Thorwalern und Norbarden, wobei man nicht mehr genau sagen kann, welches Volk als erstes in dieser Bucht siedelte.
Die Ifirnshavner sind in der Regel großgewachsen und kräftig, haben ein sonniges Gemüt und lachen und trinken gerne… aber wehe dem, der einen Gjalskerländer reizt! Während sich beim Thorwaler der pure Jähzorn durchsetzt, mischt sich beim Gjalskerländer noch die listige Verschlagenheit der Norbarden in den ungestümen Angriff… meist mit unangenehmen Folgen für den Streithahn.
Doch Traviadank, Streit gibt’s so häufig nun auch nicht in Ifirnshavn, jeder geht dort seinem Tagwerk nach, und wenn ein Schiff anlegt und die Handelsgeschäfte erledigt sind, versammeln sich die Einheimischen mit den Reisenden in der “Hütte des Gastes”, einem Langhaus nur für die durchreisenden Gäste, um neue Geschichten aus der weiten Welt zu hören und, wie sollte es auch anders sein, zu lachen und zu trinken. Gastfreundlich ist man, wie man es von den Thorwalern kennt, aber ebenso geschäftstüchtig. Sehr wohl wissen die Ifirnshavner darum, daß ihre Siedlung einer der wenigen sicheren Häfen dieser Region bietet — und wissen wohl ein Geschäft aus ihrem Beistand, sei es bei der Reparatur des Schiffes nach durchlittenem Sturm sei es bei der Verproviantierung, zu machen. Andererseits ist man gerne bereit, für seltene und geschätzte Waren — z.B. Stahl, Schmiedegüter, Öl und Wachs — einen guten Preis zu zahlen, wenn das Zeug denn nur taugt… Tand und Trödel wissen die Leute hier, wo beinahe alles knapp und damit teuer und geschätzt ist, sehr wohl von trefflichem Gut zu scheiden. Auf der Hochebene oberhalb Ifirnshavns braust fast ständig ein naßkalter Wind, der von See her weht. Doch dieser “Luftzug”, wie die Ifirnshavner den Wind nennen, stört die Gjalskerländer nicht sonderlich.
Beschwerlicher ist dagegen der Aufstieg von der Bucht mit den Landungsstegen hinauf auf die Hochebene und den beiden Götterschreinen auf den “Flügeln”.
Entweder man ist völlig schwindelfrei — dann kann der Gebetswillige die Swafnirstreppe nehmen, glatte Stufen, die ohne Geländer oder sonstweden rettenden Halt in die Steilwand des Swafnirsflügel gehauen wurden — oder aber man nimmt den Weg durch die Dunkelpforte, einer schmalen Klamm, die vom Grund der Bucht in sanften Windungen bis zur Hochebene aufsteigt.
Dieser Weg ist zwar bedeutend länger als der Treppenaufstieg, dafür aber erheblich sicherer, denn schon des öfteren sind Einheimische und Reisende in purer Selbstüberschätzung (oder im Vollrausch) von der Treppe in die Tiefe – und damit in Borons Arme – gestürzt.