Der Handel hat Riva groß und wohlhabend gemacht. Man ist zwar regional nicht die größte Siedlung – das ist Enqui – wohl aber der bedeutendste Handelsplatz weit und breit.
Allein die Warenschau im Ingerimm lockt Aberhunderte Reisende in die Stadt, und mit ihnen ihr Silber. Rivas Kaufleute und Handwerker mühen sich redlich, dass so viel wie möglich davon in der Stadt bleibt – und ihr langjähriger Erfolg beweist ihre Tüchtigkeit.
Zu den wertvollsten Exportgütern zählen das begehrte Moorholz und daraus gefertigte Möbel, Perlmutt (als Rohstoff, zu Knöpfen und Schmuck geschliffen oder zu Pulver zerstoßen als Schminke verarbeitet), feines Wildleder und Pelze. Auch Beinschnitzereien, Bögen und andere nivesische Waren sind sehr beliebt, ebenso wie der selbst im Horasiat geschätzte Rivaner Handkäse, einer Spezialität aus in Kräutermarinade und Zwiebeln eingelegtem Schafkäse, eines der wenigen Lebensmittel, das exportiert wird, so wie der Salzfisch, für den das Salz ebenfalls regional in Siedereien gewonnen wird. Die Schafe der Region zeichnen sich durch eine gute, lange Wolle aus, aus der sich robustes, wetterfestes Tuch machen lässt, diese wird jedoch vornehmlich lokal verarbeitet.
Dennoch lässt sich nicht verhehlen, dass die große Zeit Rivas vorbei zu sein scheint. Die Ereignisse der letzten Jahre (siehe Seite 138) haben dazu geführt, dass viele Handwerker in Not geraten und verarmt sind. Selbst Kaufleute sind von den Auswirkungen nicht verschont geblieben, wie das Schicksal der Familie Syphax zeigt (siehe unten).
Nur wenige Bürger vermochten den Fährnissen zu trotzen, und sich durch kluge Entscheidungen oder herausragendes handwerkliches Können ihren Wohlstand zu wahren oder zumindest einen Absturz zu vermeiden. Andere waren weniger glücklich, viele von ihnen sind in Schulden und damit Abhängigkeit geraten, die finstere Geschäftemacher skrupellos ausnutzen. Enormen Aufschwung haben in den letzten Jahren Gasthäuser, Herbergen und Schenken genommen, all jene Plätze, an denen sich die Glücksritter zu Hause fühlen. Glücksspiel und Hurerei sind dort an der Tagesordnung und füllen die Truhen der Inhaber dieser Etablissements. Auch die Händler, die die Schatzsucher mit der nötigen Ausrüstung versorgen und Ortskundige, die sie an aussichtsreiche Plätze im Moor führen, erleben eine Blüte. Ohne Vorkasse ist bei diesen Leuten mittlerweile allerdings meist nichts zu machen: zu unsicher ist der Erfolg der Glücksritter, als dass man sich darauf einlassen würde, anschreiben zu lassen.
Ein relativ neues Gewerbe sind die Leute, die gefundene Artefakte schätzen und ihren Gegenwert in Gold oder Silber auszahlen. Zwar bietet das Stoerrebrandt-Kolleg ebenfalls diesen Dienst an, doch ist man sich unter den Schatzsucher einig, dass die ‘Magierkrämer’ sie noch ärger zu übervorteilen suchen.
Silber im Säckel und Gold in den Truhen – wovon die Stadt lebt
In Riva werden Zölle auf alle eingeführten Waren erhoben, sofern es sich nicht um Lebensmittel handelt. Diese wiederum sind – von wenigen Ausnahmen wie dem Salzfisch – mit einer hohen Ausfuhrsteuer belegt. Das betrifft nicht die Hartwurst, die der fahrende Ritter Alrik als Mundvorrat mit sich führt, wohl aber seinen novadischen Mitreisenden, der vorausschauend einen ganzen Sack rastullahgefälliger Kamelwürste mit sich führt, um eine längere Reise unter den Ungläubigen zu überstehen.
Von den Bürgern der Stadt wird eine Grundsteuer verlangt, außerdem ist eine jährliche Abgabe zu zahlen, die sich nach dem Einkommen bemisst. Dabei nehmen die Bürger selbst die Einschätzung vor. Manch reicher Bürger leistet sich aus Prestigegründen den Luxus, eine höhere Steuer zu entrichten, um Eindruck zu schinden. Andere stapeln bewusst tief. Allerdings sollten sie sich dabei nicht erwischen lassen, denn die zwei Schatzvögte der Stadt, haben das Recht, dies zu überprüfen. Ein ertappter Sünder muss die doppelte Steuer entrichten, ganz davon ab, dass sein Ruf ruiniert ist.
Bürger, die nicht ihren Wachdienst versehen können oder wollen, müssen eine Wehrsteuer entrichten. Versäumt jemand den Dienst, ist gar eine hohe Strafe fällig.
Auswärtige Kontore werden mit einer Handelssteuer belegt, deren Höhe jährlich neu vom Rat bestimmt wird und oft Gegenstand erbitterter Auseinandersetzungen ist, außerdem kann der Rat jederzeit Sonderabgaben erheben (beispielsweise für die Ausbesserung der Mauer), ein Mittel, auf das man bislang aber nur sehr zurückhaltend zurückgreift.
Handelskontore
Schon seit langer Zeit ist der Handel von und nach Riva überwiegend in der Hand großer Handelskontore. Das älteste Handelshaus der Stadt ist die Königlich Salzaranische Handelskompagnie, die allerdings in den letzten Jahren arg unter der Konkurrenz und den Einbrüchen im Handel mit dem Svellttal und dem Norden insgesamt gelitten hat. Zuletzt war man sie sogar gezwungen das angestammte Domizil im Aelderhaven zu verkaufen und gegen ein weniger prestigeträchtiges und noch dazu hochwassergefährdetes Kontor in Neuehaven einzutauschen. Weitere Kontore unterhalten das Handelshaus Stoerrebrandt, die Horaskaiserliche Privilegierte Nordmeer-Compagnie (HPNC), das Rastburger- Handelshaus (alle drei ab Seite 150) und die Familie Kolenbrander, die ihre Aktivitäten durch Kooperation mit dem Uhdenberger Minenkonsortium (siehe Seite 149–153) enorm ausgeweitet hat.
Mit Handelshaus Ingstrok (siehe Seite 149) hat auch ein alteingesessenes einheimisches Kontor die Wirren der letzten Jahre überstanden, während es mit dem Handelshaus Dolbrecht nach der Ermordung des Handelsherrn stetig bergab ging und sein Neffe Zosgar Dolbrecht (siehe Seite 165) nur mehr von alter Größe träumt und nahezu zu allem bereit ist, um wieder zu “den Großen” zu gehören.
Der Niedergang der Familie Syphax
Tragisch ist das Schicksal der Rivaner Händlerfamilie Syphax. Einst zu den reichsten Bürgern zählend, hat eine geradezu phexverfluchte Verkettung unglücklicher Umstände zum raschen Niedergang geführt: Zunächst gingen beiden Koggen der Syphax’ in einem verheerenden Sturm verloren, in deren Ladung der Großteil des Vermögens der Familie steckte. Im folgenden Herbst starb dann der älteste Sohn, ein vielversprechender Kaufmann, an einem Fieber, im darauf folgenden Frühjahr brannte das Lagerhaus mit den letzten verbliebenen Waren ab. Die Familie sah sich ruiniert und ihrer Zukunft beraubt. Gebrochen nahm sich die alte Matriarchin Donata das Leben. Zurück blieb allein Donatella Syphax, von Kummer und wachsenden Schulden geplagt.
Gilde der Fernhändler
Mag ihre wirtschaftliche Stärke die Wurzel für die Macht der Rivaner Händler sein, haben diese es auch beizeiten verstanden, ihren Einfluss zu festigen, indem sie sich in einer gemeinsamen Gilde zusammengeschlossen haben. Diese unterscheidet sich von vergleichbaren Institutionen andernorts jedoch in einem wichtigen Punkt: Die Rivaner Fernhändlergilde macht keinen Unterschied zwischen Einheimischen und Ortsfremden, jeder Kaufmann kann sich um Aufnahme bemühen. Das mag auf den ersten Blick merkwürdig klingen, stehen die Handelshäuser doch in Konkurrenz. Allerdings hat man im Laufe der Generationen den Markt unter sich aufgeteilt, denn das Geschäft war ertragreich genug, um alle Mitglieder der Gilde wohl zu nähren, ohne dass man sich im Kleinkrieg gegeneinander aufreiben musste. Man beschränkt sich darauf, etwaige neue Konkurrenten aus der Stadt zu halten, pflegt Beziehungen, bildet Konvois und Handelsgemeinschaften, außerdem gibt es einen Stift für verwitwete und verwaiste Angehörige, die in Not geraten sind. Wichtigstes Ziel aber ist es, den Einfluss der Kaufleute in der Stadt zu mehren. Das allerdings gestaltet sich in jüngster Zeit immer schwieriger, und es bleibt abzuwarten, wie lange die Solidarität unter den Handelsherren noch Bestand hat.
Der Gilde gehören die Leiter der wichtigsten Kontore an, aber auch einige norbardische Sippenoberhäupter, wie namentlich Pjotr Surjeljow (siehe Seite 166) und sogar ein nivesischer Sippenchef und der Hetmann Garsvir Holgardsson (siehe Seite 159 und 167). Aus ihren Reihen wählen sie den Gildenobersten. Seit 1001 BF ist das nun schon der jeweilige Leiter des Stoerrebrandt-Kontors, eine Tradition, mit der Pjotr Surjeljow unbedingt brechen will, da der Vorsitzende Kraft seines Amtes auch Mitglied im Rat ist.
Die Fernhändler-Gilde unterhält ein Gildenhaus am Markt.).
Handwerk ohne goldenen Boden
Seit dem Niedergang ab 1010 BF sind immer mehr Handwerker in Not geraten. Für viele blieb nur der Ausweg, sich zu verschulden, und darauf zu hoffen, dass bald bessere Zeiten kämen. Doch spätestens mit der Herrschaft Gloranas zerstob diese Hoffnung. Einige gaben auf und versuchten sich als Minenarbeiter, Holzfäller, Torfstecher und Jäger oder kehrten der Stadt ganz den Rücken. Viele andere aber haben Schulden und Wucherzinsen in eine Art Schuldknechtschaft geraten lassen. Sie arbeiten nicht mehr als freie Handwerker für den eigenen Lebensunterhalt, sondern für eins der großen Kontore. Von diesem erhalten sie Rohstoffe und müssen die fertigen Waren zu einem vorgeschriebenen Festpreis an das Kontor verkaufen. Von den Löhnen bleibt den Menschen indes nur wenig, denn einen Teil behält das Kontor ein, um die angehäufte Schuld zu begleichen. Es ist ein rechter Dämonenzirkel, in dem sich viele wiederfinden, denn die Zinsen drücken so sehr, dass der Lohn nicht einmal reicht, diese zu tilgen, die Schuld also immer größer wird, egal wie viel man rackert. Dass die Kontore die Löhne angesichts dessen, dass die Not immer größer wird, nahezu beliebig drücken könnten, tut ein Übriges. Größter Gläubiger ist das Rastburger-Kontor. Aber auch der eine oder andere Rivaner Bürger ziert sich nicht, aus diesem System Profit zu schlagen.
Travia- und Phex-Geweihte geraten darüber heftig aneinander, denn die Diener der Göttin verlangen von denen des Fuchses, dieses Treiben zu geißeln. Bislang allerdings schweigen die Phex-Geweihten, vielleicht um den Preis ihrer Anhängerschaft unter den Handwerkern.
Nur weniger Handwerker und Handwerkszweige haben sich ihre Unabhängigkeit bewahrt. Dies hat dazu geführt, dass viele Güter, darunter Wollstoffe, Metall- und Lederwaren, deutlich teurer geworden sind, weil nun die Händler den Preis diktieren können und manche Gewerke gar von einem einzigen Handelshaus allein kontrolliert werden. Ein Beispiel sind Zinn-, Eisen- und Kupferwaren, aber selbst Tongeschirr, das vormals selbst in den Küchen der einfachen Leute zu finden war, ist teuer geworden. Findige Holzfäller haben aus der Not eine Tugend gemacht und verkaufen einfaches Holzgeschirr, das sie in ihren Lagern herstellen, an örtliche Krämer.
Am besten geht es noch den Perlmuttschleifern, den Möbeltischlern, die sich auf Luxusmöbel spezialisiert haben und den Kürschnern. Einige haben zwar Exklusivverträge, vor allem mit der Nordmeer- Compagnie, doch insgesamt haben sie sich ihre Unabhängigkeit bewahrt.
Die Zünfte
Anders als in den meisten Städten des Mittelreichs oder anderer vergleichbarer Kulturkreise spielen die Zünfte in Riva nur eine untergeordnete Rolle. In der Abgeschiedenheit der Wildnis gab es für einige der wichtigsten Funktionen der Zünfte keinen Bedarf, weder war es notwendig, den Zuzug von Handwerkern zu begrenzen, noch musste man sich vor allzu zahlreicher Konkurrenz schützen. Die Zünfte in Riva erfüllen vornehmlich den Zweck, Handwerker ähnlicher Gewerbe zusammenzuführen, damit sie ihr Wissen austauschen und sich einander beistehen können. Sie sorgen dafür, dass der Mauerdienst gerecht verteilt ist und eingehalten wird, dass Gesellen für die Wanderschaft ein Handgeld bekommen, kümmern sich um Verwitwete und Verwaiste und haben ihren Anteil an den Festivitäten der Stadt. Sie machen zwar die Vorgaben, ob ein Handwerksstück den Regeln der Zunft entspricht, über die Einhaltung dieser Regeln wacht jedoch der Rat, der dafür eigens einen Gewerkevogt mit Helfern bestallt hat.
Die zünftigen Handwerke haben sich in einem Zunftrat zusammengeschlossen, dessen Oberhaupt ebenfalls einen Ratssitz innehat. Zwar hat der Stadtrat dem Zunftrat das Privileg zugesichert, zu allen Ratsentscheidungen, die das Handwerk betreffen, gehört zu werden. Doch liegt dieses Recht quasi brach, denn das Handwerkergremium hat seit acht Jahren nicht mehr getagt. Die Gründe dafür sind vielfältig, zum einen üben die Kaufleute Druck auf ihre abhängigen Handwerker aus, andere haben andere Sorgen, als sich um den Einfluss der Zünfte im Stadtrat zu sorgen oder haben sich gar bestechen lassen. Der Zunftobersten, Aldiana Abrimov, kommt das gar nicht so ungelegen. Solange der Zunftrat nicht tagt, solange bleibt sie in ihrem Amt und damit im Rat. Ob ihre Wahl zur Bürgermeisterin den Handwerkern helfen wird, wird die Zukunft erweisen.
Einzelne Zünfte
Einen privilegierten Status genießen Fleischer, Bäcker und Bauern (die in Riva ebenfalls zünftig sind), denn sie stehen unter dem Schutz des Rates. Ohne sie ist eine reibungslose Grundversorgung der Bevölkerung gefährdet und niemandem ist daran gelegen, dass es zu Hungeraufständen kommt. Kürschner und Tischler haben sich ihre Unabhängigkeit weitgehend gewahrt, ebenso wie die Perlmuttschleifer und -schneider.
Die Zunft der Schmiede, der Eisen-, Zinn- und Kupferschmiede angehören, befindet sich in Abhängigkeit der Kaufleute, nicht anders als die der Tuchweber. Um ihre Unabhängigkeit kämpfen die Gerber und Lederhandwerker, ein zähes Ringen, deren Sieger noch nicht feststeht. Andere Handwerke, die vielerorts zünftig sind, sind es in Riva nicht, so wie beispielsweise die Wirte.
Versorgung der Stadt
Die Gegend um Riva ist karg und rau, die Felder bieten nur geringen Ertrag. Vornehmlich genügsamer Dinkel (aus dem die Rivaner auch Bier brauen) und Emmer werden hier angebaut, allerdings reichen die Ernten nicht, um die Stadt zu versorgen. So hat der Magistrat bereits vor langer Zeit verfügt, dass jedes Handelsschiff, das in Riva festmachen will, ein Zwanzigstel seines Laderaums an Getreide einführen und der Stadt zu einem vom Rat festgesetzten Preis verkaufen muss. Händler, die dagegen verstoßen, müssen empfindliche Strafen zahlen (siehe Seite 170). Zusätzlich werden Heu und Silage produziert, um das Vieh durch den Winter zu bringen.
Auf den Salzweiden gedeihen Salzlämmer, Schafe und Ziegen gut, außerdem mästet man Wollschweine. In den Gärten zieht man Weißkohl, Rüben, Wurzelgemüse und Kartoffeln. Die Erträge in der gerade einmal viermonatigen Vegetationsphase sind starken jährlichen Schwankungen unterworfen. Folglich ist man auf den Fischfang (Kabeljau, Lachsforelle, Eiskrabben, Muscheln und Krebse und Oktopus) (siehe Seite 160) angewiesen. Alles, woran es vor Ort mangelt, muss eingeführt werden. Das betrifft nicht nur Getreide, sondern auch Baumaterial. Große Bäume, die für den Schiffs- und Hausbau taugen, sind Mangelware. Bruchstein und selbst die Ziegel, aus der manche Patrizierhäuser oder das Rathaus erbaut sind, mussten und müssen von weither transportiert werden.
Der Ansturm der Neubürger hat den Mangel empfindlich verschärft. Auch der Bedarf an Torf (zum Verfeuern) und Brennholz ist jäh gestiegen – mit gravierenden Folgen. Immer tiefer dringen Holzfäller in die Wälder am Oberen Kvill und Nuran Riva, und damit in das Territorium der Elfen vor. Das Schöne Volk betrachtet dies Treiben mit wachsendem Zorn, und es scheint nur eine Frage der Zeit, bis die Elfen den Frieden mit den Rivaner aufkündigen.
Nivesen
Die Nivesen bringen Fleisch, Sehnen, Knochen und Felle vom Karen (seltener das fertige Leder), dazu noch Seehundhaut in die Stadt. Als Nomaden sind sie vor allem an nützlichen Dingen wie Feuersteinen, Brennmaterial, Öllampen, langen Seilen, Stoffen, Metallklingen sowie Proviant und schönen Dingen wie Schmuck, Spielzeugen und Musikinstrumenten interessiert. Insbesondere die in Riva ansässigen Nivesen bieten zudem für ihr Volk typische Handwerksprodukte, wie Lederkleidung, Bögen und Beinschnitzereien feil.