Die Nivesen sind genügsame Menschen: sie versuchen nicht, der Natur mehr zu nehmen als nötig ist. Ihr einfaches Leben ist oftmals voller Entbehrungen und Gefahren, aber so ist halt der Lauf der Welt. Ein gewisser Fatalismus ist vielen von ihnen zu Eigen. Das Erste, was etwa einem Mittelreicher zu den nordischen Steppennomaden einfällt, ist die Redewendung ‘faul wie ein Nivese’. Allerdings ist nach Ansicht der meisten zivilisierten Aventurier ein Mensch dann fleißig, wenn er stetig danach strebt, in seinem Leben möglichst viele materielle Güter anzuhäufen sowie sich Land und Natur untertan zu machen. Beides ist den Nivesen fremd. Sie leben von dem, was die Himmelswölfe ihnen gaben, und belassen die Steppe so, wie sie Liska und die Ihren einst gestalteten. Gewiss führen die Nomaden, die jahrein, jahraus ihren Karenherden hinterher ziehen, ein sehr hartes Leben, das von Anstrengungen und Entbehrungen jeglicher Art geprägt ist. Hunger und Kälte sind ihnen eine ständige Bedrohung und werden oft über lange Zeit still ertragen.
In der nivesischen Kultur genießen Männer und Frauen gleiches Ansehen, doch die Aufgaben im täglichen Leben sind geteilt: Männer kümmern sich vorwiegend um die Jagd und die Herden, Frauen eher um Kinder, Vorratshaltung und Handwerk. Ausnahmen kommen jedoch vor, und allzu eng sieht das niemand. So gibt es auch Sippen mit zwei Häuptlingen, einem Mann und einer Frau, die verschiedene Zuständigkeiten haben. Bei der Erziehung wird in aller Regel darauf geachtet, dass Mädchen auch ‘männliche’ Fähigkeiten erwerben und umgekehrt. Neben dem Umgang mit Wurfkeule und Bogen geht es dabei vor allem um Kenntnisse, die zum Überleben in der Wildnis unabdingbar sind. Das sind zum einen Fährtenlesen und Schleichen, aber auch die Kunde von heilsamen, essbaren und giftigen Pfl anzen. Ein wichtiges Talent ist aber auch die Vorhersage des im Norden stets launischen Wetters durch die Deutung verschiedener Zeichen. Steigt der Rauch des Lagerfeuers etwa senkrecht in den Himmel, gibt es trockenes und kaltes Wetter, verdichtet er sich zu Schwaden, ist ein Gewitter im Anzug, kriecht er am Boden, beginnt es bald zu tauen. Nach einer klaren Nacht ohne Morgentau gibt es Regen, Nebel über den Wassern kündigt schönes Wetter an, eine dicke Fettschicht unter dem Pelz des Hasen kündigt einen langen Winter an usw. Untrügliches Zeichen für bevorstehende Wetteränderung ist natürlich die Richtung der vorherrschenden Winde. Die Nivesen lernen von klein auf die Namen der Winde und was sie verheißen.
Die Kultur der sesshaften Nivesen im Svellttal, dem Nordland und Sewerien stellt eine Mischung traditioneller Riten und Gebräuche mit denen der zwölfgöttergläubigen Siedler dar. Sie zählen zu den Nikaureni, dem Volk der Nivesen, das nicht nur die nomadische Lebensweise kennt. Von Ort zu Ort ist dabei ihre Lebensweise unterschiedlich stark durch Einfl üsse anderer Kulturen verwässert. Wenn Sie ein Nivesendorf entstehen lassen wollen, können Sie sich durchaus einiger Traditionen der Karenhirten bedienen. Allerdings sollten Sie bedenken, dass ein Bauer andere Sorgen hat und gegen gänzlich andere Unbill kämpft.
Äußerliches und Kleidung
»Das Erscheinungsbild der Nivesen ist bereits treffe ich in unserer Literatur beschrieben. Sie sind meist zwischen acht und zehn Spann groß, haben oft rotes, manchmal aber auch blondes oder braunes Haar, ihre Augen sind ein wenig schräggestellt. Aufgefallen ist mir, dass einige Nivesen sehr hellbraune, fast bernsteingelbe Augen haben. (…) Die Haut der Nivesen ist hell wie die eines Garethers, bräunt aber im Sommer sehr stark und wird fast so dunkel wie die eines Almadaners oder gar Novadis.«
—aus den Aufzeichnungen Damianos zu Valavet
Ihr Kopfhaar, das auch im hohen Alter kaum ausfällt, tragen Männer meist offen und mittellang. Körperbehaarung und Bartwuchs sind nur schwach ausgeprägt. Frauen binden sich gerne Bänder ins Haar, das sie lang tragen. Vom Körperbau her sind Nivesen etwas zierlicher als andere Völker des Nordens, jedoch von kräftiger Gesundheit und Ausdauer, was unter anderem auch daran liegt, dass nur die Stärksten unter ihnen das Erwachsenenalter erreichen und schwächliche Säuglinge hemmungslos ausgesetzt werden.
Nivesen kleiden sich in Felle und Leder; ihre Tracht schmücken sie mit bunten Holzperlen, Stickereien oder Schnitzereien aus Karenbein. Die übliche Bekleidung besteht aus Lederschuhen mit Schuhbändern, die um die Knöchel gewickelt werden, einer Lederhose und der Kolta, einem kittelähnlichen Oberteil, das in vielen Formen daherkommt und auf die Sippenzugehörigkeit hinweisen kann. Zu bestimmten Festen im Sommer tragen nivesische Frauen Kleider. Charakteristisches Kopfbedeckung beider Geschlechter ist die Fellmütze mit Ohrenklappe, genäht aus den Fellen erjagter Hasen, Dachse oder Biber.