Für Nivesen existieren die diesseitige Welt – die Tuundarar – und die Geisterwelt – das Nivaleiken – nebeneinander. Jedes Geschöpf existiert auf beiden Ebenen und kennt sowohl eine materielle als auch eine immaterielle Form. Nur Schamanen ist es jedoch vorbehalten, in beiden Welten zu wandeln und mit den Bewohnen des Nivaleiken zu kommunizieren. In der Natur, ob Felsen, Bäumen, Bergen, Seen oder in Wetterphänomenen, manifestieren sich diese Geister auch im Diesseits und können dazu gebracht werden, dem Menschen zu dienen. Ein besonderer Ort in der Geisterwelt ist das stürmische Kekkasavu. Der ‘Rauch der Totenfeuer’ soll die Geister verbrannter Nivesen in das Jenseits tragen, und so werden hier die Geister und Seelen empor gewirbelt. Ins Kekkasavu werden auch alle gebannten Geister (und Dämonen, die für Nivesen als abgrundtief böse Geister gelten, die nicht in Tuundarar existieren dürfen) geschleudert, damit sie dort verbrennen.
Die Nivesen kennen unzählige Naturgeister. Genannt seien hier die Uonii, die das Wasser zum Fließen bringen, oder die Juajok, die in der Erde wohnen und dafür sorgen, dass alle Gegenstände nicht zum Himmel, sondern zum Boden fallen. Die Gabetaj wiederum hausen in der Luft und entreißen dem Boden – wenn die Juajok nicht aufpassen – die Pflanzen, lassen sie somit das Erdreich verlassen und wachsen. Außerdem sorgen die Gabetaj nebenbei auch noch dafür, dass sich Mensch und Karen fortpflanzen. Einige Stämme ziehen in ihren Sommerlagern, die sie zwei bis drei Monate bewohnen, ein paar Nutzpflanzen, wie etwa die höllisch scharfe Kvill-zwiebel. Bisweilen geht der Schamane um die Beete herum und lässt einige kleine Steine fallen. Damit werden die Juajok abgelenkt, und die Gabetaj können zu Werke gehen.
Gleichgültig verhalten sich die Fienlauki, die im Winter umhergehen und allen Wesen die Kraft entziehen. Von munterem Wesen sind häufi g die Kekkääle, Feuergeister, die in ihre Schranken verwiesen werden müssen, da sie sonst alles verzehren, was von ihnen berührt wird. Zu den wichtigsten Tiergeistern gehören die Taarjuk, die in den mächtigen Bären wohnen und der Inbegriff für Kraft und Mut sind. Von höchst unterschiedlichem Naturell sind die Fien-Nikkaa, Wolfsgeister, die von den Himmelswölfen gesandt werden, um den Menschen und Wölfen beizustehen. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist es, die Seelen der Toten durch das Kekkasavu zu führen. Auch der Überzählige muss erwähnt werden, ein mächtiger Geist der Verführung, der einsame, nachlässige Hirten überfällt. (Hesinde-Geweihte vermuten in der Gestalt des Überzähligen den Namenlosen.) Vor ihm kann letztendlich nur eine Pirtinaj, ein freundlicher, weiblicher Jurtengeist, schützen. Die Pirtinaj bewahren die Bewohner der jeweiligen Behausung vor allerlei Gefahren. Um sie bei Laune zu halten, opfert man ihnen immer wieder hübsche Kleinigkeiten wie Spielzeug oder Schmuck.
Viele Geister haben eine eigenständige Persönlichkeit, besonders wenn sie Teil mächtiger Erscheinungen des Wetters oder mit einem wichtigen Ort verbunden sind. So wurde die legendäre Schamanin Huuka, die Oblosch auslöschte, für viele Sommer von dem Gabetaj Penkoa begleitet. Am Johonkuhun-See bei Uta wohnt der verspielte Wassergeist Liushui, der Wanderer gerne nass macht. Der mächtige Eisvogel Arkiniitu kann hingegen nur in großer Höhe in das Diesseits treten und verwandelt dort den Regen in Schnee.