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Aelder- und Neuehaven

Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang herrscht im alten und im neuen Hafen reges Treiben. Rau schallen die Rufe der Schauerleute, Kärrner und Lastenträger über die weitläufigen Anlegestellen. Schwer hängt der Geruch nach Teer und Fisch über dem Hafenbecken, in das sich der Kvill in ruhigem Lauf ergießt. Selbst große Potten können in den Sommermonaten hier anlegen, Becken und Fahrrinne sind tief genug.

Einige Schiffseigner ziehen den Hafen von Riva dem von Enqui vor, die einen, weil es ihnen missfällt, dass nun die Thorwaler in Enqui das Sagen haben, die anderen schätzen es, dass seit geraumer Zeit im Rivaner Hafen nicht mehr ganz so genau hingesehen wird, was beund entladen wird. Das betrifft zum einen Produkte vom Wal – wobei jeder Kapitän sich des Wagnisses bewusst sein muss, Swafnirs heiliges Tier unter den Augen der Thorwaler zu verkaufen –, aber auch anderes unlauteres Gut oder solches, bei dem man Zoll sparen will.

Im Hafenviertel reihen sich Kontore und Lagerhäuser dicht an dicht. Am Neuehaven, der aufgrund seiner Lage flutgefährdeter ist als der Aelderhaven, hat man einige Lagerhäuser auf Stelzen gebaut. Sehr zum Ärger der Eigentümer sind die trockenen Flecken unter den Häusern beliebte Schlafplätze für Habenichtse und Neuankömmlinge, die sich nur mit grober Hand kurzzeitig vertreiben lassen.

Auf dem Markt im Neuehaven werden frisch gefangene Efferdfrüchte und Fisch feilgeboten.

Typische Hafenkaschemmen und Seemannsquartiere findet man im Rivaner Hafen kaum. Das ‘Gesindel’, darin ist man sich einig, hält man am besten von den wohlhabenden Bürgern fern. Und so sind die Seeleute, die auf der Suche nach Unterhaltung oder einem Quartier auf festem Boden sind, ein vertrauter Anblick auf der Kvillbrücke, wenn sie sich auf den Weg in die Undere Wyk machen, wo sie und ihre Heuer willkommen sind.

Das Stoerrebrandt-Kontor (12)

Seit 999 BF unterhält das Handelshaus Stoerrebrandt eine Niederlassung in der Stadt am Kvill, und lange Jahre war dieses Kontor ein besonderes Steckenpferd des Handelsmagnaten Stover Regolan Stoerrebrandt, der großen Gefallen daran fand, sich als großzügiger Gönner zu zeigen. Dass er im Jahr 1008 BF den Grundstein für ‘seine’ Magierakademie ausgerechnet hier und nicht in seiner Heimat legte, war ein weiterer Beweis für den Stellenwert, den Riva unter den Besitzungen des Bornländers einnahm. Doch die Umstände ändern sich. Emmeran von Stoerrebrandt, der seinem Vater als Herr über das Handelsimperium nachfolgte (siehe das Abenteuer Drei Millionen Dukaten), legt andere Schwerpunkte.

Das Kontor ist ein imposantes, doppelgiebliges Gebäude im Festumer Stil. Der linke Bau dient als Lagerhaus mit Ladeluken in allen Stockwerken und einem Kran am obersten Giebel, der rechte beherbergt das eigentliche Kontor, einen Salon und die Wohnstatt des Kontorleiters und seiner Gehilfen. Zu dem Anwesen gehören Wirtschaftsgebäude und Ställe rings um den weitläufigen Hof sowie eine Remise. Neben dem Kontor besitzt die Familie noch diverse Speicher am Hafen und seit einigen Jahren auch ein Fuhrunternehmen.

Kontorleiter ist Bärmund Erbarmer, ein stattlicher Mittvierziger mit schulterlangen, braunen Locken und leutseligen dunklen Augen (1,98, beleibt, Doppelkinn, kreuzergroßes Muttermal auf der linken Wange, tiefe, angenehme Stimme, volltönendes Lachen). Erbarmer hat dieses Posten bereits seit zwölf Jahren inne; er ist nicht nur ein gewitzter Geschäftsmann, der weiß seine Beliebtheit zunutze zu machen, sondern versteht sich auch darauf, den Interessen seines Herrn durch sein Wirken im Rat, wie auch auf weniger offenkundige Art und Weise Geltung zu verschaffen. Dass sein Einfluss schwindet, bedrückt den Bornländer ebenso, wie das mangelnde Interesse Emmerans am Schicksal des Rivaner Kontors. Allerdings ist es nicht seine Art, aufzugeben.

Das Kontor genießt in der Stadt hohes Ansehen, die Stoerrebrandts gelten zwar als harte, aber faire Geschäftspartner. Seit dem Sommer 1031 BF ist Erbarmers Leitung des Kontors nicht mehr ganz unumstritten. Da nämlich entsandte Emmeran Stoerrebrandt seine nichtsnutzige Schwester Vanjescha in den Norden, um “dort das Kaufmannshandwerk von der Pike auf zu lernen”. Bärmund sieht die Gesellschaft der Stoerrebrandt-Tochter mit gemischten Gefühlen. Einerseits gefällt es ihm wohl, die schöne und lebenslustige Frau um sich zu haben, andererseits stört es ihn sehr, dass sie sich kraft ihres Namens herausnimmt, sich über Gebühr in die Geschäfte einzumischen.

Kontor Rastburger (13)

Die Händlerfamilie Rastburger (siehe GA 45, 51 und Großer Fluss 172) ist seit 1002 BF in Riva präsent. Mit Mut zum Risiko und einem untrüglichen Gespür für einträgliche Geschäfte führte Brendan Inveric, der inzwischen im Ruhestand in Aelderfried lebende erste Leiter des Kontors, das Unternehmen zu großem Erfolg. Inzwischen sind die Rastburger zum zweitwichtigsten Handelshaus am Platze aufgestiegen. Sitz des Kontors ist ein repräsentativer Ziegelsteinbau im albernischen Stil. In einem Nachbarhaus hat die kontoreigene Söldnertruppe, die Rastburger, ihr Quartier.

Leiterin des Kontors ist seit 1027 BF Jarwen Seehoff (siehe Seite 163). Wie ihr Vorgänger logiert sie im Kontorgebäude. Das Verhältnis der beiden ist nicht ungetrübt: Jarwen, die die Order ihrer Herrin, der Matriarchin Alvide Rastburger, für immer größeren Profit zu sorgen, koste es, was es wolle, ebenso getreulich wie skrupellos umsetzt, war Brendans ständige Vorhaltungen über mangelnde Moral und unseriöse Geschäftsmethoden schließlich so leid, dass sie ihm das Haus verboten hat. Allerdings war sie jüngst gezwungen, das zu revidieren: Seit 1032 BF weilen eine Nichte und ein Neffe Alvides in Riva, zur Ausbildung, wie es heißt. Alvide hat sich dem Wunsch ihrer Schwester Doride nicht verwehrt, dass sich Brendan ihrer Sprösslinge annimmt. Und so muss Jarwen erneut die Vorhaltungen ihres Vorgängers zähneknirschend ertragen.

Zahlreiche Handwerker der Stadt stehen in Schuldknechtschaft des Kontors und sind auf Wohl und Wehe von den Rastburgern abhängig.

Das Kontor hält außerdem eine Reihe Holzfäller, Bernsteinsammler und Jäger in Lohn und Brot. Diese genießen den Vorteil, dass die Rastburger Söldner auch für ihre Sicherheit sorgen. Der Konkurrenzkampf wird schärfer, je mehr Menschen ein Auskommen suchen, und Handgreiflichkeiten und Überfälle sind leider keine Seltenheit mehr. Mit den schlagkräftigen Söldnern im Rücken muss man Konkurrenten und Räuber kaum mehr fürchten. Diese Gewissheit wiegt den Nachteil durchaus auf, die Güter ausschließlich an das Kontor zu verkaufen, selbst wenn andere Händler deutlich besser zahlen. Auch sollte sich keiner einfallen lassen, dieser Versuchung nachzugeben, denn dann kümmert sich die hauseigene Truppe um den unsicheren Kantonisten und nicht um die Konkurrenz. Generell sagt man Jarwen Seehoff nach, dass sie bei ihren Geschäften eher auf Masse als auf Klasse setzt.

Horaskaiserliche Privilegierte Nordmeer-Compagnie (HPNC) (14)

Die 1024 BF gegründete Nordmeer-Compagnie hat ihr Domizil an ebenso renommiertem wie traditionsreichen Ort genommen: im ehemaligen Kontor des Handelshauses Liegerfeld&Sandfort. General- Commissaria des Kontors ist Svelinya Kuyfhoff, der auch eine kleine Niederlassung der Compagnie in Leskari untersteht.

Das Kontor ist Teil eines großen, mit einer Steinmauer umgebenen Anwesens,. Dazu gehört nicht nur das Kontorgebäude, ein frisch renovierter Fachwerkbau, sondern auch ein großes Lagerhaus sowie Ställe und Remise. Svelinya ist es durch zähes Verhandlungsgeschick und blanke Dukaten gelungen, mit den besten Möbelschreinern Rivas Exklusivverträge abzuschließen – was insbesondere den Rastburgern und den Stoerrebrandts ganz und gar nicht schmeckt. Für den Nachschub an Holz sorgen inzwischen eigene Arbeiter, zumeist gescheiterte Schatzsucher. Insbesondere die Suche nach Moorholz ist gefährlich, aber auch einträglich. Allerdings sind die Holzsammler verpflichtet, etwaige Funde (siehe auch Seite 161, Das Riedemoor) gegen eine Prämie an das Kontor abzugeben. Wehe dem, der glaubt, sich mit einem wertvollen Fund aus dem Staub machen zu können.

Svelinya scheut selbst nicht davor zurück, die berüchtigten Nivesischen Kopfgeldjäger auf die Spur zu setzen, um das gestohlene Gut zurückzuholen.

Auch für wertvolle Pelze finden sich im Horasiat solvente Abnehmer. Die HPNC hat ebenfalls Jäger unter Vertrag. Weitere wichtige Waren sind Bernstein, Panzerkrabben und Wildleder (siehe auch Seite 171). Svelinya legt größten Wert auf höchste Qualität, für die sie auch angemessen zahlt. Minderwertige Felle dürfen die Jäger an andere Interessenten verkaufen. Schund und Massenware überlässt sie Konkurrenten wie Rastburger oder den Nostriern.

Heilige Halle der beständigen Flutwacht – Efferd-Tempel (2)

Eines der ältesten Gebäude Rivas – zudem eines aus Stein – ist der Efferd-Tempel, im Volksmund Flutwacht genannt. Obwohl Riva seinen Wohlstand zu einem großen Teil dem Meer verdankt, so fürchtet man dennoch Efferd und seine launenhafte Macht. Die Kultstätte besteht aus zwei miteinander verbundenen Gebäuden. Bethalle und Sakralräume sind im größeren Haus untergebracht, Wohn- und Verwaltungsräume finden sich im Nebengebäude. Der gesamte Tempelkomplex ist weiß gekalkt, die Außenwände sind zudem mit Bildern von typischen Meeresbewohnern des Golfs von Riva geschmückt.

Besonders häufig ist dabei das Bildnis jagender Zwergwale. Diese gelten als Verkörperung der Tugenden, denen sich die hiesigen Efferd- Geweihten vor allem verpflichtet fühlen: der wehrhaften Wacht gegen die im Norden dräuenden Schrecken und der ungezügelten Freiheit auf allen Ozeanen Deres.

Die Bethalle ist dicht an das Hafenbecken gebaut, so dass bei Flut etwa ein Drittel der heiligen Halle unter Wasser steht. Zuweilen spült die Flut wertvolle Gaben des Gottes in den Tempel, derweil das abfließende Wasser bei Ebbe die Opfergaben der Gläubigen ins Reich Efferds zieht.

Prunkstück dieser Sammlung sind vier riesige Grünwalrippen, die 829 BF in der Taiga gefunden wurden, kurz nach dem der Tempel seine Weihe erhalten hatte. Seitdem halten Beinschnitzer für Riva bedeutsame Ereignisse, ja der ganzen Region, darauf in kunstvollen Darstellungen fest.

Dem Tempel (4 Geweihte, 4 Graulinge) steht Fenew Muskelken (35, braune lange Haare, charismatisch, intelligent, umtriebig) vor, ein energischer Bornländer, der als überaus geschäftstüchtig gilt, und sich regelmäßig an Kaufmannsfahrten finanziell beteiligt. Fenew versteht es die Gläubigen für seine Ideen zu begeistern (und einzuspannen), er gilt als geschätzter Ratgeber. Dem traditionellen Efferd-Ritus verhaftet ist Arvid Muschelklau (44, Hüne, ungezügeltes rotes Haar, Vollbart, launisch und polternd). Fast täglich fährt er mit den Fischern hinaus und ist bei ihnen beliebt und wird respektiert. Muschelklau ist ein Ehrenname, den die Fischer Arvid gaben, nachdem er – in Rage – einer Möwe nach stundenlanger Jagd eine besonders prächtige Muschel abgenommen hatte.

Seit 1022 BF residiert der Meister der Brandung für Ifirns Ozean, Goswyn Orezarson, nicht mehr in Thorwal, sondern in Riva, wo er über den Bann des Seehandels mit Glorania wacht. Der Metropolit weilt häufig mit seinem Tempelschiff auf See, um Schmugglern das Handwerk zu legen, vor allem aber, um seinem Herrn nahe zu sein und seine Ratschlüsse zu vernehmen. Seine Präsenz hat der Efferd- Gemeinde eine hohe Reputation und weiteren Zulauf beschert.


Язык: Deutsch | Категория: Beitrag | Дата: 27.12.24 | Просмотров: 139 | Отзывов: 0

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