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Über die Natur des Dämonenpaktes

Nichts liegt mir ferner, als in diesen Zeilen anzudeuten, wie der Törichte einen Dämonenpakt eingehen kann oder wie er ihn für ein ‘optimales’ Resultat aushandeln soll – es genüge, dass es kein optimales oder auch nur akzeptables Resultat gibt, wenn letztlich doch die Seele verloren gegeben wird.

Doch wie kann es, kosmologisch gesehen, dazu kommen? Die Seele existiert, doch sie ist magisch nicht zu beobachten oder gar zu beeinfl ussen. Schon daher kann man sie als eine Schöpfung aus dem Nayrakis betrachten, und damit von götternaher Natur. Wie aber können Dämonen, die ihre Kräfte mittels der Magie entfalten, sich einer Seele bemächtigen?

Der gewöhnliche Weg einer Totenseele, so lehren uns die Kirchen, führt sie über das Nirgendmeer in Borons Hallen – prosaischer formuliert, durch den Limbus in die Vierte Sphäre. Nur wer in seinem Leben einem der Zwölfe besonders treu gedient hat, wird vielleicht in das Paradies seiner Gottheit gerufen. Wer aber mit einem Erzdämonen paktiert hat, dessen Seele wird in die Niederhöllen gerissen.

Die Theorien, was dort mit ihr oder ihren Bestandteilen geschieht, sollen hier außer Acht gelassen werden. Statt dessen muss man die Frage stellen, mit welcher Autorität die Dämonen in den natürlichen Weg der Seele hin zur Vierten Sphäre eingreifen können. Ja, ein Vertrag wurde geschlossen, aber wer setzt ihn durch?

Es steht außer Zweifel, dass in dem speziellen Fall eines Dämonenpaktes die Kirche des Herrn Praios von ihrem üblichen pacta sunt servanda entschieden abweicht und diese Form eines Vertrages als rechtlich nichtig betrachtet. So wie ich als theologischer Laie es verstehe, wird damit weder gelehrt, dass sie ohne üble Folgen für die Seele des Paktierers seien noch von der Meinung abgewichen, dass der Abschluss eines solchen Kontraktes ein schwerwiegender Frevel sei – doch einen solchen geschlossenen Pakt zu erfüllen ist eben auch keine löbliche Tat in den Augen des Herrn Praios als Beschützer der Vertragstreue. Daraus, so denke ich, kann man recht sicher ableiten, dass es gewiss nicht die Zwölfe sind, die dafür sorgen, dass die Seele eines Paktierers dem Kontrakt gemäß in die Niederhöllen geführt wird.

Wie mein hochgeschätzter Collega Olorand von Gareth- Rothenfels, Spec., mir versichert, gilt das nach den Lehren der Kirche des Boron auch für den Todesboten Golgari:

Die Unterstellung, er würde verdammte Seelen schnurstracks in der Siebten Sphäre abliefern, ist nach Urteil des Raben von Punin in sich Frevel; und in Al’Anfa, so hört man, wurde einst ein angeheiterter Magus für solche Spekulation auf Lebenszeit versklavt.

So bleibt vor allem die Vermutung, dass es eine Macht gibt, die auf Geheiß der Dämonen, und unter Duldung durch die Alveranier, die Aufgabe erfüllt, die noch im Limbus zwischen Dritter und Vierter Sphäre diejenigen Seelen ‘abfängt’ und an ihren grässlichen Bestimmungsort bringt, die durch einen Pakt unverwechselbar gebrandmarkt sind. Diese Wesenheit, von der gerade die alten Schriften der Tulamiden munkeln, lässt sich am besten mit dem beschreibenden Begriff ‘Seelensammler’ bezeichnen. Ich möchte dazu einen Auszug aus den (oft wirren, oft frevelhaften, aber nie eines guten Fundamentes entbehrenden) Aufzeichnungen Belizeth Dschelefsunnis anführen:

Der Seelensammler, mitunter auch Xarabas genannt, ist der bevollmächtigte Abgesandte des Dämonensultans, und manche nennen ihn auch Dämonenwesir, denn wie ein sterblicher Wesir führt er viele Geschäfte seines Herren. Wie er entstand und wer er ist, darüber gibt es nur undeutliche Sagen, und deren allergefährlichste ist, er sei der Sohn Sumus, den diese vom Dämonensultan empfangen, und damit zugleich der Urgrund für Los’ Zorn. Denn als die Erdmutter ihn gebar, so sagen verwitterte Glyphen auf den versunkenen Stelen vor der Zorganer Küste, da krähte er lauthals die Schande des Los, des Hahnreis, in alle Welt hinaus. Ein Hahnenhaupt nämlich trägt er auf den Schultern, mit blutrot geschwelltem Kamm. Mag sein Oberkörper auch der eines Menschen sein, so sind seine Beine doch zwei unaufhörlich geifernde Schlangen, aus deren Mäulern Natterngift wie Säure tropft.

In den Händen trägt er den Verhüllten Schild und die Würgende Geißel, deren Namen Wahnsinn und Schmerz sind.

Kein Sterblicher weiß ihn zu rufen, doch der Sultan der Dämonen sendet ihn aus, um seinen Willen in die Schöpfung zu tragen Zum Seelensammler wird er, wenn ein Paktierer stirbt, denn ihm obliegt es, inmitten der Welt die Rechte der Dämonen einzufordern, ungebeten zu erscheinen und dem Golgari die Seelen zu entreißen, die das Mal der Dämonen tragen. Nur er vermag dies zu tun, auf Grund seines zwiefachen Erbes, wie manche sagen. Dass sein Sohn und Wesir die Seelen einbringt, die den Erzdämonen zustehen, macht den Sultan zu ihrem Sultan und Gebieter, dem sie widerwillig Treue schulden.

Der Wahre Name des Seelensammlers ist aber das vielleicht größte Geheimnis der Dämonologie und keine Erkenntnis ist wertvoller. Selbst der Sphärenschänder, der sich Dämonenmeister nennen lässt, kennt diesen Namen nicht, und lange schien, als sei dieser Name das, was er so gierig erstrebte und ersehnte. Denn ungehindert kann ein Zauberer Pakte und Bündnisse mit den Erzdämonen eingehen, wenn er die Macht über den Seelensammler hat: Ereilt ihn einmal sein Schicksal und sein Leben endet, so weiß er doch noch, wie er den Seelensammler bezwingen und unverrichteter Dinge fortschicken kann, wenn dieser seine Seele holen will. Wahrlich, das ist Wahre Macht!

Es liegt mir fern, all diese Behauptungen für bare Münze zu nehmen, doch – und ich spreche aus Erfahrung – die Geheimnisse des Limbus sind viele. Eine Dämonische Wesenheit dieser Art, beauftragt unter dem Mysterium von Kha mit der ‘Ernte’ von Paktiererseelen, wäre wahrlich nicht das Unglaublichste dort.

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Язык: Deutsch | Категория: Beitrag | Автор: Tractatus contra Daemones | Дата: 17.05.24 | Просмотров: 236 | Отзывов: 0

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