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Stamm und Sippe

An der Spitze eines jeden Stammes steht ein Oberhäuptling, der Juttu. Die Bedeutung dieser Position unterscheidet sich zwischen den Stämmen. Während der Juttu der Lieska-Leddu einzig ein Repräsentant der Einigkeit unter den Sippen ist, hat er bei den Rika-Lie schon weitreichende Befugnisse und ist deren einziger Richter in großen Streitfällen.

Die Stämme wiederum gliedern sich in einzelne Sippen, die von Unterhäuptlingen, den Lahtis, angeführt werden. Sippen bestehen aus mehreren Familien. Sehr einfl ussreiche Familien sind auch in mehreren Sippenverbänden vertreten. Die Bindung zwischen Stamm und Sippe ist eher locker, und der Nivese fühlt sich in erster Linie der Familie, den Freunden und der Sippe gegenüber verpflichtet. Die Nivesen kennen nur ein Wort für Stamm und Sippe; was von beiden gemeint ist, muss der Zuhörer dem Sinn des Gesprächs entnehmen. Lahti als auch Juttu können Männer wie Frauen sein. Eine Vererbung der Häuptlingswürde ist nicht die Regel, kommt aber vor, wenn der Sohn oder die Tochter des Lahti genügend Talent aufweist.

Eine besondere Stellung haben die Kaskju, die Schamaninnen (die weitaus meisten Schamanen der Nivesen sind Frauen). Sie überliefern die alten Sagen und Legenden, sind Berater ihrer Häuptlinge, und oft gilt das Wort einer alten, weisen Kaskju mehr als das des Sippenführers. Ihre Fähigkeiten der Weissagung und Prophezeiung sind entscheidend, wenn es um die Zukunft der Gemeinschaft geht. Schließlich halten die Schamanen die Verbindung zu Himmelswölfen und Geistern aufrecht und deuten alle Naturzeichen, insbesondere den Wolkenzug und das Nordlicht. Weniger spektakulär, aber ebenso wichtig ist eine andere Aufgabe: das Heilen. Nicht umsonst werden Schamanen im mittelreichischen Volksmund auch Medizinmänner genannt.

Es kommt gelegentlich vor, dass sich aus Streitigkeiten zwischen den Stämmen Kriege entwickeln. Diese ähneln aber eher einer Massenschlägerei und finden häufig ein Ende, bevor Blut vergossen wird.

Das nivesische Recht ist sehr einfach gestaltet: Wer etwas stiehlt, muss es zurückgeben, wer etwas zerstört, muss es ersetzen, wer jemanden beleidigt, muss sich entschuldigen. Die Gerichtsbarkeit liegt beim Lahti, sofern die Betroffenen aus einer Sippe stammen, und beim Juttu, wenn sie aus zwei Sippen des gleichen Stammes sind. Sollte ein Streit zwischen den Mitgliedern zweier Stämme entbrannt sein, haben beide Juttus gemeinsam über eine Lösung zu entscheiden. Wenn dies fehlschlägt, kommt es zu oben genannten Fehden.

Die meisten Gebiete, die die Nivesen bewohnen, sind freies Land, so dass die Nomaden keinem Herrn dienen müssen. Etwas anders verhält es sich aber im Bornland. Im Laufe der Geschichte hat der Adel immer wieder probiert, die Nivesen zu unterjochen. Durch eine Art passiven Widerstand wurden diese Versuche aber stets vereitelt. Einige Sippen verließen sogar das Land und schlugen ihre Winterlager weiter westlich auf. Das war den Herren jedoch nicht recht, immerhin sorgen die Nivesendörfer in den ansonsten fast menschenleeren Gebieten ein wenig für die Sicherheit der Reisenden im Winter. Schließlich erließ die Adelsversammlung im Jahre 771 BF das Festumer Edikt, in dem die Nomaden für frei erklärt und von allen Zoll— und Zinslasten enthoben wurden. In Städten und im Umkreis von fünf Meilen um eine Burg oder Feste unterliegen die Nivesen der bornländischen Gerichtsbarkeit, ansonsten nicht.

Die großen Nivesenstämme

Lieska-Leddu

Sommerlager: Brydia, Blauer See

Winterlager: östliches Sewerien

Die Leddu haben vielerorts das Bild der Nivesen geprägt, sind sie doch der größte Stamm. Sie umfassen weit über 100 Sippen, die sich in ihren Traditionen teils sehr voneinander unterscheiden. Das einigende Band zwischen ihnen ist der uralte Pakt mit den Rauwölfen, Saidaä Tautu, auf den sie sich berufen und den die Lahtis gemeinsam jedes Jahr zu erneuern trachten. Mehrere Sippen konnten dem jedoch in den Jahren Gloranias nicht nachkommen und haben den Stammesverband verlassen. Sie sind auch nicht in die Brydia-Steppe zurückgekehrt, sondern ziehen heute durch das Jonsu.

Takku

Sommerlager: nördlich von Naauki-myrkkui-Kuuien

Winterlager: westliches Sewerien

Die Takku ziehen sehr weit in den Norden, in Gebiete, die anderen Völkern als lebensfeindlich gelten. Sie gelten als besonders ausdauernd und standhaft. Es wird ihnen auch nachgesagt, Gefahren des Landes schon aus der Ferne erspähen zu können. Die Änderung der Wanderwege durch das Eis Gloranias hat den Takku besonders zugesetzt, und bis heute ziehen viele von ihnen auf anderen Routen. Sie fühlen sich jedoch dem Stamm weiter zugehörig, der auf die mutigen Taten des Jägers Takku zurückgeht, der einst mit seinen Getreuen einen Angriff von dunkel gerüsteten Elfen aus den Landen des ewigen Schnees zurückschlug. Der gegenwärtige Juttu, Teemu von den Voimaka-Takku, wollte nach dem Rückgang des dämonischen Eises seine Sippe zunächst nicht in die östliche Steppe zurückführen, hat inzwischen jedoch einen Sinneswandel erfahren.

Rika-Lie

Sommerlager: am Golf von Riva

Winterlager: nördlich der Roten Sichel

Als sehr mystisch veranlagt gelten die Rika-Lie, deren Sagenschatz unermesslich ist. Die Fertigkeit, Zeichen der Himmelswölfe in der Natur zu lesen, haben sie zu einer Kunst erhoben. Reisende sind immer wieder beeindruckt von den Maskentänzen, die in den Lagern der Rika-Lie zu jedem Vollmond stattfi nden. Dabei tragen die Stammesmitglieder, ob jung oder alt, die Masken von Tieren, Geistern und Ahnen, tanzen wild zum Klang der Bukkaluula und stimmen mit ihrem Gesang in das Heulen der Wölfe ein. Dieses Ritual soll die Ursprünglichkeit symbolisieren, die sich die Rika-Lie bewahrt haben. Als den Himmelswölfen besonders nahe gilt die alte Kaskju Paakauka, deren Worte zu entschlüsseln jedoch niemals einfach ist.

Hokke

Sommerlager: nördliches Jonsu

Winterlager: bei Gerasim

Durch kein Wetter zu beugen, so kennt man die Hokke-Nivesen. Auf ihren Wanderungen sind sie den unbändigen Winden des Jonsus ausgesetzt, was sie jedoch nicht zu stören scheint. Hokke ziehen das Fischen auf See und in den Flüssen der Jagd vor, wobei sie im Sommer auch auf Walfang ausziehen. Sie fanden als Nivesenstamm durch Rokjoks Sternenlicht zusammen, das die Hokke vor vielen Jahrtausenden auf ihre heutigen Wanderrouten leitete.

Lieska-Lie

Sommerlager: Taiga zwischen Kvill und Lemon

Winterlager: nahe dem Rorwhed-Gebirge

Die Sippen der Lieska-Lie, meist nur wenige Dutzende Köpfe groß, stehen in ihrer Bedeutung über der Familie. Ohne Zweifel bringt der Stamm die besten Jäger unter den Nivesen hervor. Wie die Leddu begründen sich auch die Lie-Nivesen auf einen Pakt, jedoch schlossen sie diesen einst mit dem Baumgeist Nukaamo, der irgendwo in der Taiga sein Refugium hat.

Lieska-Jaärna

Sommerlager: zwischen Paavi und Ehernem Schwert

Winterlager: nördliches Walsachufer

Der mit Abstand kleinste Nivesenstamm umfasst weniger als zehn Sippen. Die Lieska-Jaärna folgen getreu den Worten ihres Juttu Niinaljok. Sie sind den Kontakt mit Städtern recht gut gewöhnt, und sowohl in den Orten am Walsach als auch in Eestiva und Paavi treiben sie häufi g mit ihnen Handel. Seinen Ursprung hat der Stamm im Sommer des Durstes vor mehr als tausend Götterläufen, als mehrere Sippen sich zusammenfanden, um eine unbarmherzige Hitzewelle gemeinsam zu überstehen, was denn auch gelang.


Herausragende Sippen

Lieska-Kangerluk

Sommerlager: Bernsteinbucht

Winterlager: ebenfalls Bernsteinbucht

Einst eine Sippe der Lieska-Jaärna, lagerten die Kangerluk im Sommer an der Mündung der Letta; und wenn der Herbst die ersten Blätter bunt färbte, machte man sich stets mit den Karenen auf gen Süden – bis vor einigen Generationen das große Unglück hereinbrach: Eine Krankheit wütete unter den Tieren und dezimierte die Herde um neun Zehntel. Es waren zu wenig Karene übrig, als dass die Menschen die Wanderung und den langen Winter hätten überleben können, und so wurde beschlossen, den kümmerlichen Rest der Herde ziehen zu lassen und einstweilen an der Brecheisbucht zu bleiben, um von der Jagd oder Tauschgeschäften mit den Bewohnern Paavis zu leben. Im Meer fand sich Beute im Überfl uss, etwa Robben oder auch Wale. So gaben die Lieska-Kangerluk, wie sich die Sippe nun nannte, ihr Nomadendasein auf.

In den Jahren unter der Knute Gloranas verschlechterten sich ihre Lebensbedingungen jedoch enorm, und 1027 BF wagten die Lieska-Kangerluk den Aufstand, dem sich auch andere Bewohner Paavis anschlossen. Geldana von Paavi schlug als Handlagerin der Eiskönigin die Unruhen blutig nieder. Zusammen mit dem Herzogssohn Dermot von Paavi gelang einer Handvoll Nivesen die Flucht in die freien Gebiete des Nivesenlandes. Andere Kangerluk zogen nach Süden und erreichten unter großen Opfern das Bornland. Inzwischen lebt die Sippe wieder vereint an der Bernsteinbucht. Sie zählen kaum mehr als 50 Köpfe, doch haben die Kangerluk geschworen, an der Seite ihres Lahti Dermot die Stadt Paavi von der Tyrannei Geldanas zu befreien.

Uusipauki

Sommerlager: nördliches Gjalskerland

Winterlager: in der Nähe von Olport

Die Uusipauki sind die am weitesten westlich lebende Nivesensippe und keinem Stammesverband zugehörig. Im Winter lagern sie bei Olport, wo sie viele Kontakte zu den sesshaften Nikaureni der Stadt pfl egen. Die Wege durch das Gjalskerland verlangen Mensch und Tier viel ab, doch die Sippe stört dies nicht. Vielmehr sind die Uusipauki bestrebt, ihre körperlichen Fähigkeiten nicht nur auf der Wanderung, sondern auch auf den Wettkämpfen der Gjalsker Barbaren unter Beweis zu stellen. Länta Duu, die hochgewachsene Lahti der Sippe, geht dabei mit bestem Beispiel voran und hat bereits drei Teilnahmen an den Gon’da Gon Palenkel vorzuweisen.

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Язык: Deutsch | Категория: Beitrag | Автор: Im Bann des Nordlichts | Дата: 02.05.24 | Просмотров: 31 | Отзывов: 0

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