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Schutz und Trutz

Obwohl Riva in seiner langen Geschichte kaum von fremden Heeren oder raubenden Horden bedroht worden ist, ist die Stadt doch gut befestigt und gerüstet. Die Umsicht der Vorfahren, in den Zeiten der Blüte ein mächtiges Bollwerk zu errichten, zahlt sich heute, da die Zeiten unruhiger geworden sind, für die Rivaner aus. Die Hauptwehr Rivas ist die mächtige, etwa sieben Schritt hohe und drei Schritt breite Mauer, die von einem gedeckten Wehrgang gekrönt wird. Türme sorgen für zusätzlichen Schutz. War diese Mauer lange der Stolz der Bürger, zeigen sich nun erste Spuren des Verfalls. Durch die rauen Winter verursachte Schäden sind nicht, wie sonst, schnellstmöglich behoben worden, hier und da bröckeln Steine oder haben sich Ziegel gelöst.

Der Dienst auf der Mauer, neben den Söldnern fällt auch den Bürgern zu. Diese sind in Wachgemeinschaften für einen bestimmten Abschnitt der Mauer zusammengeschlossen und treffen sich regelmäßig zu Waffenübungen. Jede Wachgemeinschaft formiert sich unter ihrem eigenen Zeichen, meist einer bunten Fahne.

Zur Seeseite schützt die trutzige Burg den Hafeneingang. Dort sind auch die Söldner der Schwerter Rivas untergebracht, die für die Verteidigung der Stadt zuständig sind, sowie die Gardisten Rivas, die die Tore bewachen, Zölle kassieren und für Ruhe und Ordnung auf den Straßen sorgen.

Drei Tore bieten Einlass in die Stadt, das Rondrator (34) in Aelderfried, das Bauerntor (35) in Gewerkehoop und das Svellter Tor (36) in Undere Wyk. Die Stadttore werden bei Sonnenaufgang geöffnet und bei Einbruch der Nacht geschlossen. Wer Einlass erhält, darüber bestimmen die Stadtgardisten nach Augenschein – wobei die Wachen für ihre Laxheit oder besser gesagt ihre Aufgeschlossenheit gegenüber kleineren Aufmerksamkeiten bekannt sind.

Der Kvill kann sowohl am Fuß der Dragenburg als auch dort, wo der Kvill in die Stadt fließt, durch eine schwere Sperrkette verschlossen werden. Man hat dort in der Mitte des Kvill eine künstliche Insel aufgeschüttet und einen Wachturm erbaut, der die Einfahrt in die Stadt kontrolliert. Die Wacht über die Kette obliegt den Schwertern Rivas, die Gobert Schwarzbär, einem Hauptmann aus Weiden, unterstehen. Lange Zeit unterhielt die Stadt ein ganzes Banner Stadtgardisten, die für Verteidigung und Sicherheit in der Stadt gleichermaßen zuständig waren. Zum Verteidigungsfall kam es indes so gut wie nie – Riva ist seit jeher ein Hort des Friedens gewesen, von übermütigen Thorwalern auf Raubzug einmal abgesehen. Neuerdings ist man dazu übergegangen, für die Verteidigung auf angeworbene Söldner zu setzen, die nicht nur nach Bedarf einsetzt und bezahlt werden, sondern die auch für den Ernstfall besser gerüstet sind.

Die – verkleinerte – Stadtgarde rekrutiert sich vornehmlich nach wie vor aus Töchtern und Söhnen der Stadt. Ganz ohne Spannungen ist das Miteinander von Gardisten und die Söldnern in der Burg nicht. Gerade wenn in der Stadt die Ausschreitungen überhandnehmen und marodierendes Gesindel die Straßen unsicher macht, sind die Gardisten allein zahlenmäßig überfordert. Die springen ihnen dann oft nicht bei, weil ihre Aufgabe ja allein in der Verteidigung gegen Feinde von außen besteht. Mancher Bürger teilt den Unmut der Gardisten, allerdings steht auch außer Frage, dass man den Sold der Söldner kräftig anheben müsste, wollte man sie für Aufgaben innerhalb der Stadt einsetzen. Und mehr Steuern will auch niemand bezahlen.

Überhaupt bröckelt die lange gepflegte Solidarität. Die wenigsten neu in die Stadt Gekommenen zeigen Neigung, sich an den Ausgaben für Schutz und Trutz zu beteiligen. Die einen betrachten die Stadt nur als eine Zwischenstation auf ihrem Weg zum Glück, und nicht als Heimat, die anderen schert es nicht, wie die Regeln sind. Sie schätzen ihren eigenen Wohlstand und ihre eigene Bequemlichkeit höher und drücken sich deshalb um alle Abgaben. Bei den alteingesessenen Bürgern zeigt sich zunehmend Unmut, dass sie für den Schutz derer aufkommen sollen, die sich einen Dreck darum scheren, ihre gerechte Steuer zu zahlen und ihr Scherflein zum Gemeinwohl beizutragen (172 A). So schleift sich immer mehr ein, dass die Gardisten nur noch in den wohlhabenden Vierteln patrouillieren, wo die Bewohner für den Sold der Garde aufkommen, und sich für Händel außerhalb und insbesondere auf dem Nederen Ufer und vor den Toren der Stadt nicht zuständig fühlen. Und auch das Pflichtgefühl der Bürger bei der Wacht auf der Mauer schwindet zusehends. Immer häufiger drücken sich Einzelne vor dem Dienst, und der Stadtrat tut sich schwer, die damit verbundene Strafe einzutreiben.

Riva bei Nacht

Nach getaner Arbeit nutzt man in den Sommermonaten im Hafen, im Gewerkehoop, im Krämerfried und den anständigeren Gassen von Underes Wyk das letzte Licht des Tages, um sich in den Gassen zu treffen, dort zusammenzusitzen und zu schwatzen. Man spielt Spiele wie das Kleutenwerfen, bei dem man versucht, faustgroße Lederbälle möglichst nah an eine pflaumengroße Holzkugel heranzuwerfen.

Mit Einbruch der Nacht aber senkt sich Boronstille über weite Teile der Stadt. Wohl gibt es auch hier einige solide Lokale, wo man gemeinsam speist und trinkt und Musikanten oder Poeten lauscht. Aber spätestens, wenn der Nachtwächter die zehnte Stunde ausruft, heißt es, sich auf den Heimweg zu machen. Dann müssen alle Herdfeuer und Lichter ausgelöscht werden, um Brände zu vermeiden. Es ist auch nicht erlaubt, sich zu nachtschlafender Zeit ohne triftigen Grund in den Gassen herumzutreiben. Was ein triftiger Grund ist, ist Auslegungssache (172 A).

Einzig in der Underes Wyk und in Gewerkehoop geht es auch nach dem Läuten der Nachtglocke hoch her. Dort wird bis zum Morgengrauen ausgeschenkt und gehurt – zumindest solange, wie jemand noch genügend Münzen hat, um die Zeche zu bezahlen.

Des Nachts patrouilliert ein vom Rat bestallter Nachtwächter in den Gassen. Allerdings beschränkt sich sein Rundgang vornehmlich auf die besseren Viertel am ‘Goden Ufer’, zumal, seitdem das raue Gesindel Undere Wyk und Gewerkehoop zu einem zunehmend unsicheren Pflaster macht.

Der Nachtwächter hat auch die Aufgabe, darüber zu wachen, dass kein Feuer ausbricht. Jüngst erst kam es zu einem verheerenden Brand, als ein Herdfeuer in einer der einfachen Hütten vor der Stadt außer Kontrolle geriet, wo niemand Wacht hält.

Die Söldner

Als die Orks über das Svellttal hereinbrachen, befand der Rat, dass es an der Zeit sei, die Verteidigung der Stadt in fähigere Hände als bisher zu legen. Das Banner Stadtgarde wurde auf ein Halbbanner verringert, dafür warb man Söldner an. 50 Söldner gehören nun zu den Schwertern Rivas, der Söldnereinheit, die für die Sicherheit der Stadt einsteht (siehe auch Seite 149). Sie bemannen die Mauern und Türme, patrouillieren im Umland, kümmern sich um Raubgesindel, Orks und andere Bedrohungen für die Stadt und unterweisen die Bürger bei regelmäßigen Wehrübungen.

Zahlreiche Händler und Kontore unterhalten eigene Mietlinge, als Bedeckung für ihre Handelszüge und Schiffe, ebenso wie als Leibgarde. Die Aussicht auf gutes Silber und eine feste Anstellung hat einige Soldknechte in den hohen Norden gelockt. Sie gehören mehr oder minder festen Haufen an. So gibt es die Rastburger (siehe auch Seite 150), eine relativ große Truppe, deren anmaßendes Auftreten vielen Rivanern ein Dorn im Auge ist. Die Korianer sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen, die sich um den Kor-Geweihten Igildur Kordan Blutfaust scharen (Alter schwer zu schätzen, aber vermutlich weit jenseits der 50, 2,03 Schritt, sehnig, markante, wettergegerbte Züge, tätowierter Glatzkopf, hinkt auf dem rechten Bein), der vor kurzem in die Stadt gekommen ist. Sie treffen sich bevorzugt in der Schenke Zum blutigen Kor (im Stadtteil Gewerkehoop), einstmals unter dem Namen Rode Ochs bekannt. Die Stimmung ist rau, Auseinandersetzungen flammen schnell auf und enden nicht selten blutig.

Weniger kriegerisch gebärden sich die Nachtmahre aus der gleichnamigen Taverne im Stadtteil Undere Wyk, die dafür nicht wählerisch bei der Auswahl ihrer Auftraggeber sind.

Zwischen den Söldnertrupps herrscht sowohl Kollegialität als auch Rivalität – manchmal nur von der Tageszeit und davon wie betrunken sie sind abhängig. Freund- und Feindschaften sind schnell geschlossen, vor allem letztere werden oft lange gepflegt. Insbesondere wenn es um lukrative Aufträge geht, geht es schnell mal zur Sache, und die Stadtgarde sieht sich kaum in der Lage, die streitlustigen Söldlinge zur Räson zu bringen.

Allerdings gilt auch für manche Söldner, dass nicht alles wehrhaft ist, was Eisen trägt. Unter den Mietlingen befinden sich ebenso Frischlinge, Aufschneider und Gebrochene. Allerdings kann man sich niemals sicher sein, ob man es tatsächlich nur mit einem Großmaul zu tun hat, das die eigenen Schwächen durch Großspurigkeit zu überspielen sucht, oder doch mit einem gestandenen Soldknecht, der keine Auseinandersetzung scheuen muss. Andererseits sollte man auch nicht den umgekehrten Fehler begehen und von schlechter Ausrüstung auf dürftige Kampffertigkeiten schließen.


Язык: Deutsch | Категория: Beitrag | Дата: 17.05.24 | Просмотров: 113 | Отзывов: 0

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