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Mythologie und Glaube

»Ihr Glaube ist natürlich etwas, was unsereins, die wir auf dem Weg der Zwölfe wandeln, besonders interessiert. In den Büchern, die ich zu Hause studiert habe, wurde bereits angedeutet, dass die Nivesen furchtbare Wolfsgötzen anbeten und mit den Wölfen auf eine Weise zusammenleben, die Mensch und Tier in Hesinde-ungefälliger Weise gleichstellt. Ja, sie treiben sogar Selemie mit diesen Bestien …«

—aus den Aufzeichnungen Damianos zu Valavet


Natürlich können die Worte, die ein Geweihter der Zwölfgötter über den Glauben der Nivesen verliert, nicht unkommentiert bleiben. Aus diesem Grunde möchten wir die Mythologie der Steppennomaden etwas konkreter erläutern.

Die Weltenschöpfung

Nach der nivesischen Schöpfungsgeschichte war das Land einst flach wie ein Fladenbrot und unvorstellbar groß. Die Sommer waren lang, nur für dreißig Tage herrschte die Wintermutter Firngrim. Sie war nicht so unerbittlich wie in heutigen Tagen.

Vielmehr bedeckte sie das Land sanft mit Schnee, dass es schlafen konnte, und sie sorgte dafür, dass sich alle Tiere einen fetten Wanst anfraßen. Zu dieser Zeit, am Anbeginn der Welt, gebar das mythische Himmelspaar zwei Kinder, einen Menschen und einen Wolf. Beide wurden von ihren Eltern geliebt und genährt, und der Wolf wärmte den Menschen, während dieser wiederum seinen Brüdern und Schwestern im grauen Pelz die Sprache beibrachte. Nun kam Liska zu den Menschen. Die Sippenführerin Vaê nahm sie in ihrer Hütte auf und bat ihren Sohn Mada, seinen Lagerplatz für die Wölfi n mit dem silbernen Auge zu räumen. Dieser war sehr empört darüber, dass er einem Tier Platz machen musste. Als er am nächsten Morgen wieder die Hütte betrat, sah er zwei Welpen mit goldenem Fell, und da überkam ihn die Gier. Er griff die Welpen, doch kaum hatte er die Hütte verlassen, begannen sie jämmerlich zu winseln. Mada bekam große Angst und erschlug die Tiere. Als Liska den Mord entdeckte, sprach sie: “Diesen Tag werdet ihr Menschen nie vergessen.” Dann wandte sie sich um und stieg über den Himmelsturm zum Himmelsgewölbe hinauf. Die Leichen ihrer Kinder legte sie auf die silberne Schale, die sich jeden Abend am Firmament zeigt. Diese wird seitdem Madamal oder gar Madas Schandmal genannt. In jeder Vollmondnacht werden die Nivesen an Madas Verbrechen erinnert, und die Wölfe lassen ihr anklagendes Lied anstimmen, wenn sie um Liskas Kinder trauern.

Doch Liska kehrte zurück – mit Gorfang, Rotschweif, Reißgram und den anderen Himmelswölfen. Liska war groß, doch gegen ihre Geschwister oder gar ihren Vater Gorfang war sie winzig wie ein Staubkorn. Die Himmelswölfe fraßen das Land, kehrten die Scholle um und erleichterten sich, wo sie gerade standen. Sie hätten gewiss die ganze Welt zerstört, hätte nicht Liska, die eigentlich im Herzen milde war und dachte, dass nun der Rache genug getan wäre, ihren Vater um Einhalt gebeten. Vom Land aber blieb nur ein kümmerlicher Rest, von Bergen und Seen übersät und selbst auf einer salzigen Brühe schwimmend.

Soweit eine Version. Möglicherweise kam es auch schon vor Madas Untat zum Bruch zwischen Menschen und Wölfen. Die Lieska-Leddu wissen zu berichten, dass Urvater und Urmutter, selbst Kinder des mythischen Wolfspaares, das einst zwei Menschlein und zwei Wölfchen gebar, auf Grund ihrer unermesslichen Gier ihren vierbeinigen Geschwistern keinen Teil der Jagdbeute gönnen.

So wandten sich schließlich die Silberwölfe von den Menschen ab, und es werden erst wieder bessere Zeiten kommen, wenn die Wölfe den Menschen vergeben. Wie es sich nun wirklich zutrug, werden wir wohl nie erfahren. Möglicherweise enthalten beide Geschichten einen Teil der Wahrheit. Unbestritten ist jedoch, dass die Nivesen nicht von einem anderen Kontinent her eingewandert sind und somit zu den Ureinwohnern Aventuriens zählen. Wie weit die Geschichte der Nivesen zurückreicht, mag man daran ermessen, dass die Feen vor allem Rothaarige als Menschen anerkennen und behaupten, sie seien beinahe von Anfang an da gewesen.

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Язык: Deutsch | Категория: Beitrag | Автор: Im Bann des Nordlichts | Дата: 02.05.24 | Просмотров: 31 | Отзывов: 0

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