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Golf von Riva

Ein Gewässer, das – zumindest im Sommer – das Herz des Seemanns erfreut, ist der Golf von Riva, der bei einer Ausdehnung von etwa 400 auf 300 Meilen von den sturm- und regenreichen Gjalsker Höhen, den fl achen Brinakser Marschen und den vergletscherten Firnklippen eingerahmt wird. Die heftigste Bewegung des fl achen und ruhigen Randmeers ist eine kabbelige See, wenn Dünung und Wind nicht im Einklang sind. Der Tidenhub ist nur gering, genügt aber dennoch, dass im fl achen Marschland bei Enqui bei Ebbe weite Schlicklandschaften trockenliegen und das salzige Meerwasser bei Springfl ut (und besonders bei Sturmfl uten unter Nordwind) meilenweit ins Land vordringt. Chroniken künden von einer Jahrhundertwelle, die am 28. Boron 247 BF den Golf heimsuchte, Meereswesen weit ins Land spülte, die Stadt Swelt westlich von Enqui zerstörte und archaische Orkheiligtümer freilegte. Die Katastrophe riss Landstriche ins Meer und veränderte die Küstenlinie dauerhaft. Zwar liegen an jeder Siedlung am Golf Fischerboote oder thorwalsche Drachenschiffe, doch die einzigen Häfen, die von tiefgängigen Schiffen angelaufen werden können, sind Riva und Enqui. Die größte Gefahr für die Seefahrt in diesen ruhigen Gewässern stellen die Sandbänke im westlichen Teil des Golfes dar. Große Schiffe sind auf die Hilfe eines Lotsen angewiesen, um Enqui sicher zu erreichen. Riskant ist auch die Fahrt entlang der Riffe an der Schwadenküste im Norden, wo Nebel und Geistererscheinungen drohen.

Die ärgste Jahreszeit für Seefahrer sind die Wintermonate: Vom Beginn des Hesindemondes an treiben aus der Meerlunge die ersten Eisschollen in die Bucht, gelegentlich auch Eisberge, die sich im fl achen Wasser festfahren und zum Sammelpunkt weiteren Eises werden. Mitte Firun ist jeglicher Schiffsverkehr unmöglich geworden. Zumindest die Küsten sind viele Meilen weit ins Meer hinein im Griff dichten Meereises. Und wenn Firun wirklich seinen Grimm zeigt, dann kann man vom Drachenkopf im Gjalskerland bis zur Arjolfsspitze zu Fuß über 200 Meilen Eis wandern. Das Zufrieren des fl achen Golfs geht oftmals binnen weniger Tage vor sich – und wehe dem Schiff, das dann noch keinen sicheren Hafen erreicht hat. Das Eis zerdrückt selbst stolze Schivonen, wirft Karracken auf die Seite oder hält Holken mit eiserner Hand, so dass die Besatzung jämmerlich verhungern und erfrieren muss.

Küste und Marschland

»Sie jagten in offenen Booten und als sie sich wieder dem Ufer näherten, rannte ihnen das ganze Lager entgegen. Mit vereinten Kräften zogen wir den erlegten Seetiger aus dem Wasser und binnen kurzem war der riesige Leib zerlegt. Überall türmten sich handliche Haufen von Tigerhaut mit Speck und Fleisch und jeder Haufen war für jemanden aus dem Stamm bestimmt. Keiner, der an den Strand gekommen war, ging mir leeren Händen, ob er nun geholfen oder nur zugesehen hatte. Selbst wir bekamen einen Anteil, was mich sehr verwunderte. Zum Dank überreichte ich einem ihrer Krieger meinen Jagddolch, was für einigen Aufruhr sorgte. Später, am Lagerfeuer, schenkte er mir dann den unterarmlangen, kunstvoll beschnitzten Zahn eines Seetigers. Es dauerte die ganze Nacht, bis ich alle Geschichten verstanden hatte, die in das Bein geschnitten waren, und Grinulf war am Morgen sehr unzufrieden mit mir.«

—Thalia Ljosvaki von Donnerbach in einem Brief an ihre Mutter, 1017 BF

Die Gestade des Nordens sind ebenso vielgestaltig wie die des Südens. Schroffe Steilküsten trotzen im Winter wie im Sommer den anbrandenden Gewalten, mögen dies nun donnernde Wassermassen, langsam und unbarmherzig kriechendes Eis oder Sturmwinde sein. Felsküsten stellen häufig ein unüberschaubares Labyrinth aus Gesteinsbrocken dar. Im Winter, wenn Meer und angrenzendes Land unter Eismassen erstarren, lässt sich Stein nicht von Eis unterscheiden. Dies ist gerade im Übergang der Jahreszeiten hochgefährlich, denn einmal eingebrochen gibt es im eiskalten Wasser kaum ein Entkommen. Mit der Eisschmelze verändern sich in jedem Jahr die Bedingungen, ergeben sich neue Felslandschaften, die erst erkundet werden wollen. Doch auch im hohen Norden gibt es vergleichsweise zahme Küstenabschnitte. Jäh wandeln sich die wilden Felslandschaften zu ausgedehnten Stränden, die zu weiten Teilen des Jahres unter Eis und Schnee verborgen liegen. Kaum ein Strand gleicht dem anderen. Es gibt solche, die aus faustgroßen Steinen bestehen, meist findet man jedoch Schotterstrände vor und nur höchst selten kleine Sandstrände. Das Land ist insgesamt zerklüftet und unwirtlich. Selbst wenn die Eisdecke aufgebrochen und Schifffahrt wieder möglich ist, gibt es nur wenige Stellen, an denen man gefahrlos ankern oder an Land gehen kann. Die Einheimischen befahren das Meer mit kleinen, offenen Booten, die überwiegend aus Seetigerhaut gefertigt sind. In ihnen sind sie wendig und können dem launenhaften Meer trotzen. Neben dem Fischfang widmet man sich vor allem der Jagd auf große Meeressäuger wie Felsrobben, Meerkälber und Seetiger. Letztere sind eine nahezu unerschöpfliche Quelle, aus der die Nivesen Nahrung gewinnen, Riemen und Decken, Brennstoff für Lampen und allerlei andere Dinge, die sich weiterverarbeiten lassen. Der Pelz der Robben ist gerade im harten Winter unersetzlich und fester Bestandteil in der hiesigen Garderobe. Fisch wird vor allem getrocknet und eingesalzen. Selbst die Fischhaut wird genutzt und feines Leder hergestellt, das gerade bei Mittelländern begehrt ist. Vegetation weist die Küstenlinie kaum einmal auf. Allein Moosen, Flechten, Gräsern und geduckten Krüppelsträuchern gelingt es, der extremen Lage zu trotzen.

An die Küste schließt sich im Golf von Riva und am Rand der Brecheisbucht Marschland an, fl ache Landstriche ohne nennenswerte Erhebungen. An der Mündung von Flüssen zieht es sich zuweilen tief ins Land hinein. Zahllose Seen, Bäche und Flüsse, durch die das Schmelzwasser an die Küste geführt wird, prägen die Landschaft. Da ihrer Entwicklung keine Zügel angelegt werden, ändern sich Lage, Verlauf und Größe der Wasserfl ächen und -läufe ständig. Anders als die Küste beherbergt das Marschland jedoch zahlreiche Pfl anzen, die sich mit dem Leben in der Randzone zwischen Meer und Land arrangiert haben und hart im Nehmen sind. Was hier überleben will, muss Überschwemmungen ebenso vertragen wie mondelangen Frost, rastlosen Wind und beißendes Salz. Bestens angepasst sind Kaauvilgras (Salzgras), Ried- und Wollgras (siehe auch Zoo-Botanica 280). In der kurzen Zeit des nördlichen Sommers blühen in Senken oder im Uferbereich von Gewässern farbenfrohe Blumen wie winziger Mohn, Sumpfdotterblume, Kratzdistel und die krüppelhaft wachsende Hügelbirke.

Das Vorankommen gestaltet sich an Küste und im Marschland genauso schwierig wie in Taiga und Tundra. Wege und Pfade gibt es in der Regel nicht. Die Küste ist zerklüftet, das Marschland von unzähligen Wasserfl ächen durchzogen. Zudem ist der Grund hier trügerisch und unsicher.

Siedlungen am Golf (von Norden im Uhrzeigersinn)

  • Leskari – siehe Seite 18f.
  • Keamonmund (niv. Caamajuk) – 300 Einwohner, an der Mündung des Ceamons, Station für Jäger, Handelsstation Stoerrebrandts, Schänke Nachtwind (Q2/P4), Schänke Firunsheil (Q3/P4), Bordell Rote Rahja (Q3/P3/S6)
  • Tavaljuk – 220 Einwohner, 15 Meilen landeinwärts am für die Schifffahrt schwierigen Oblomondelta, Brücke über den Oblomon; nördlich des Dorfes Ottaskin der Vesthörger-Sippe (50 Thorwaler, 2 Knorren), die den Handel über den Oblomon zu kontrollieren versuchen (siehe Unter dem Westwind S. 116)
  • Trasik – 200 Einwohner, an der Mündung des Trasics, Fischer, Dinkelbauern und Schäfer, Station für nivesische Jäger
  • Ulva – 180 Einwohner, Fischerort, Schänke, Kohlengrube des Hauses Kolenbrander östlich des Ortes
  • Riva – siehe Seite 14ff.
  • Varmur – 100 Einwohner, Fischerort ohne Weganbindung, überwiegend Thorwaler der Guddir-Sippe, die mit der Thorfinn-Ottajasko aus Riva verfeindet sind (siehe Westwind 117) Die weiteren Siedlungen am westlichen Golf von Riva sind in Unter dem Westwind auf den Seiten 103ff. (Enqui) und 71ff. (Gjalskerland) beschrieben.


Язык: Deutsch | Категория: Beitrag | Дата: 17.05.24 | Просмотров: 116 | Отзывов: 0

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