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Das Leben in Riva

Wenn der stürmische Firunsatem schneeschwere Wolken über den Golf von Riva treibt, wenn grimmer Frost gar den Lauf des Kvills zum Erstarren bringt und sich die Dächer unter hohen Hauben aus Schnee ducken, dann scheint die sonst so muntere Stadt wie ausgestorben. Die Winter sind seit Gloranas Herrschaft noch bitterer geworden.

—aus einem Brief des Kaufherrn Eslam Kyperloff aus Ouvenmas, 1025 BF


Winter

Schwere Läden verdecken die Fenster, und so dunkel wie eine Höhle muten einem die meisten Wohnstuben an, notdürftig vom Schein des Herdfeuers oder stinkender Tranfunzeln erleuchtet, denn nur begüterte Leute können es sich erlauben, ihre Wohnstätten mit Kerzen und Öllichtern zu erhellen.

Hohe Schneeverwehungen türmen sich in den Straßen, der zerfurchte Boden ist glashart gefroren und unwegsam. So schneidend ist die Luft, dass sie in den Lungen beißt und das Atmen schwer macht. Kaum einer lässt sich in den Gassen blicken, man beschränkt die Aufenthalte im Freien auf das Notwendige. Auch aus dem Umland streben die Menschen in den Wintermonaten in die Stadt, die Torfstecher, Holzfäller und Moorholzsammler, auch viele Nivesen schlagen vor der Stadt ihr Lager auf. Einzig jene Jäger, die auf die Winterpelze von Firunsfuchs und Schneehase erpicht sind, ziehen in ihre Winterlager, von wo aus sie in Gruppen auf die Jagd gehen. Der Handelsverkehr kommt nahezu zum Erliegen, nur die norbardischen und nivesischen Händler, die der Kälte trotzen und mit Schlitten reisen, machen sich den Umstand zunutze, dass sonst unwegsame Sümpfe nun begehbar sind.

Das Kleinvieh, das in den warmen Monaten die Wiesen und Anger in und um die Stadt bevölkert, findet im Winter ebenfalls einen Unterschlupf in den Häusern, zu kostbar sind Ziegen, Wollschweine, Schafe und Geflügel, um sie in einem einfachen Stall zu belassen, zu kostbar ist auch die Wärme, die die Tiere zusätzlich schenken. Wehe dem, der nun keinen ausreichenden Vorrat an Speisen, an Feuerholz oder Torf sein Eigen nennt. Es wird ein düsterer und entbehrungsreicher Winter werden, und es geschieht alle Jahre, dass Arme in ihren Behausungen oder auf den Straßen erfrieren, obwohl sich die Travia- Kirche bemüht. Nicht zuletzt hat der Wandel in Riva das Werk der Geweihten erschwert, denn viele der Neuankömmlinge haben entweder selbst nicht genug oder es gebricht ihnen an Bürgersinn und Traviatreue. Der Sinnspruch, “Hilf dir selbst, dann hilft dir Phex” erhält so eine bittere Bedeutung und dient vielen als Entschuldigung, sich nicht um die Schwachen zu kümmern.

Mit Sehnsucht erwartet man das Wintersonnenwendfest, wenn die Tage endlich wieder länger werden.

Frühling und Sommer

Mit den ersten wärmenden Strahlen im Peraine regt sich das Leben in den Gassen wieder, die Schäden durch Schnee und Eis werden behoben und Schiffe und Kähne seetauglich gemacht.

Bald strömen auch die ersten Händler wieder in die Stadt. Allerdings ist das Reisen über Land am Ende des Winters alles andere als bequem, wenn das Schmelzwasser Flüsse und Bäche anschwellen lässt und Schlamm das Fortkommen auf den getauten Wegen behindert. Erst im Sommer sind die Straßen so weit getrocknet, dass man leidlich vorankommt. Und mit noch einem Fährnis wartet diese Jahreszeit auf: Mücken, die zu Abertausenden in den Sümpfen, in Pfützen und Tümpeln schlüpfen. Blutiges Lehrgeld bezahlt, wer seine Haut nicht sorgsam bedeckt oder sich mit Egelschreck Frieden verschafft. Die Einheimischen tragen Gesichtsschleier wie die Novadis, eine wenig kleidsame, aber umso ratsamere Mode, zumindest wenn man keinen Gefallen daran findet, Dutzende heftig juckende Mückenstiche hinzunehmen.

Vor Gloranas Herrschaft konnte es im Sommer überraschend heiß werden. Um so überraschter waren die Bewohner, als 1031 BF der Frühling erstmals wieder Anfang Peraine einsetzte und nicht erst Ende Peraine oder Ingerimm. Der Sommer 1032 BF war sogar der wärmste seit Menschengedenken – zumindest wenn man den Ältesten der Stadt Glauben schenken will.

Herbst

Der Herbst ist geprägt von Vorbereitungen für den langen Winter. Eifrig werden die letzten größeren Handelsgeschäfte getätigt, die Häuser winterfest gemacht und Vorräte angelegt. Dann ist auch Schlachtzeit, und das Gebrüll der Tiere, die unter dem Messer des Metzgers enden, weil man sie nicht über den Winter bringen kann, erfüllt die Gassen. Im Spätherbst oder frühen Winter dann, je nachdem, wie grimmig Firun sich gebärdet, werden auch die Schiffe winterfest gemacht. Nur einige wenige Segler und Fischerboote sind zu Winterreisen tauglich. Diese werden zu den Felsinseln vor der Bucht von Riva gebracht, bevor diese zufriert. Nur die Mutigsten wagen die Ausfahrt auf die stürmische, winterliche See, doch ist dies auch die Zeit, in der man am besten die wohlschmeckenden Eiskrabben erbeuten kann. Den Fang bringt man auf Eisseglern und Schlitten in die Stadt, und erst wenn Firuns Atem zu schneidend wird, kehren auch die letzten Fischer in die Stadt zurück.


Hochwasser

Die Schneeschmelze bringt den Kvill zum Anschwellen, seine sonst so gemächlichen Fluten drängen ungestüm in die Stadt und überfluten die Ufer. Wohl dem, der sein Domizil auf dem festen Grund von Aelderfried oder Aelderhaven hat, oder auf den sanften Höhen im Herzen der Stadt. Die weniger glücklichen Bewohner der ufernahen Gassen und des flachen Nederen Ufers müssen dann bangen, ob Dämme und Flutauen sie ausreichend schützen. Alle paar Jahre steigt das Wasser sogar so hoch, dass selbst die höhergelegenen Viertel überflutet werden. Dann heißt es alles daran zu setzen, seine Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen und zu Efferd zu beten.

In den Jahren, da die Eishexe den hohen Norden unter permanentem Frost gefangen hielt, blieb das Hochwasser aus. Doch mit dem Schwinden ihrer Kraft kehren sie zurück – schlimmer als zuvor, denn es gibt viel Eis im Norden, das nun unter Praios’ Kraft schmilzt.


Язык: Deutsch | Категория: Beitrag | Дата: 17.05.24 | Просмотров: 102 | Отзывов: 0

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